Theodor Herzl
Der Judenstaat
Versuch einer modernen Lösung der
Judenfrage
Der Gedanke, den ich in dieser Schrift
ausführe, ist ein uralter. Es ist die Herstellung des Judenstaates.
Die Welt widerhallt vom Geschrei gegen die Juden, und das weckt den
eingeschlummerten Gedanken auf.
Ich erfinde nichts, das wolle man sich vor allem und auf jedem
Punkte meiner Ausführungen deutlich vor Augen halten. Ich erfinde
weder die geschichtlich gewordenen Zustände der Juden noch die
Mittel zur Abhilfe. Die materiellen Bestandteile des Baues, den ich
entwerfe, sind in der Wirklichkeit vorhanden, sind mit Händen zu
greifen; jeder kann sich davon überzeugen. Will man also diesen
Versuch einer Lösung der Judenfrage mit einem Worte kennzeichnen, so
darf man ihn nicht «Phantasie», sondern höchstens «Kombination»
nennen.
Gegen die Behandlung als Utopie muß ich meinen Entwurf zuerst
verteidigen. Eigentlich bewahre ich damit nur die oberflächlichen
Beurteiler vor einer Albernheit, die sie begehen könnten. Es wäre ja
keine Schande, eine menschenfreundliche Utopie geschrieben zu haben.
Ich könnte mir auch einen leichteren literarischen Erfolg bereiten,
wenn ich für Leser, die sich unterhalten wollen, diesen Plan in den
gleichsam unverantwortlichen Vortrag eines Romans brächte. Aber das
ist keine solche liebenswürdige Utopie, wie man sie vor und nach
Thomas Morus so häufig produziert hat. Und ich glaube, die Lage der
Juden in verschiedenen Ländern ist arg genug, um einleitende
Tändeleien überflüssig zu machen.
Um den Unterschied zwischen meiner Konstruktion und einer Utopie
erkennbar zu machen, wähle ich ein interessantes Buch der letzten
Jahre: «Freiland» von Dr. Theodor Hertzka. Das ist eine sinnreiche
Phantasterei, von einem durchaus modernen, national-ökonomisch
gebildeten Geist erdacht, und so lebensfern wie der Äquatorberg, auf
dem dieser Traumstaat liegt. «Freiland» ist eine komplizierte
Maschinerie mit vielen Zähnen und Rädern, die sogar ineinander
greifen; aber nichts beweist mir, daß sie in Betrieb gesetzt werden
könne. Und selbst wenn ich Freilandsvereine entstehen sehe, werde
ich es für einen Scherz halten.
Hingegen enthält der vorliegende Entwurf die Verwendung einer in der
Wirklichkeit vorkommenden Treibkraft. Die Zähne und Räder der zu
bauenden Maschine deute ich nur an, in aller Bescheidenheit, unter
Hinweis auf meine Unzulänglichkeit und im Vertrauen darauf, daß es
besser ausführende Mechaniker geben wird, als ich einer bin.
Auf die treibende Kraft kommt es an. Und was ist diese Kraft? Die
Judennot.
Wer wagt zu leugnen, daß diese Kraft vorhanden sei? Wir werden uns
damit im Kapitel über die Gründe des Antisemitismus beschäftigen.
Man kannte auch die Kampfkraft, die im Teekessel durch Erhitzung des
Wassers entstand und den Deckel hob. Diese Teekesselerscheinung sind
die zionistischen Versuche und viele andere Formen der Vereinigung
«zur Abwehr des Antisemitismus».
Nun sage ich, daß diese Kraft, richtig verwendet, mächtig genug ist,
eine große Maschine zu treiben, Menschen und Güter zu befördern. Die
Maschine mag aussehen, wie man will.
Ich bin im Tiefsten davon überzeugt, daß ich Recht habe - ich weiß
nicht, ob ich in der Zeit meines Lebens Recht behalten werde. Die
ersten Männer, welche diese Bewegung beginnen, werden schwerlich ihr
ruhmvolles Ende sehen. Aber schon durch das Beginnen kommt ein hoher
Stolz und das Glück der innerlichen Freiheit in ihr Dasein.
Um den Entwurf vor dem Verdacht der Utopie zu schützen, will ich
auch sparsam sein mit malerischen Details der Schilderung. Ich
vermute ohnehin, daß gedankenloser Spott durch Zerrbilder des von
mir Entworfenen das Ganze zu entkräften versuchen wird. Ein im
übrigen gescheiter Jude, dem ich die Sache vortrug, meinte: «Das als
wirklich dargestellte zukünftige Detail ist das Merkmal der Utopie.»
Das ist falsch. Jeder Finanzminister rechnet in seinem
Staatsvoranschlage mit zukünftigen Ziffern und nicht nur mit
solchen, die er aus dem Durchschnitt früherer Jahre oder aus anderen
vergangenen und in anderen Staaten vorkommenden Erträgen
konstruiert, sondern auch mit präzedenzlosen Ziffern, beispielsweise
bei Einführung einer neuen Steuer. Man muß nie ein Budget angesehen
haben, um das nicht zu wissen. Wird man darum einen
Finanzgesetzentwurf für eine Utopie halten, selbst wenn man weiß,
daß der Voranschlag nie ganz genau eingehalten werden kann?
Aber ich stelle noch härtere Zumutungen an meine Leser. Ich verlange
von den Gebildeten, an die ich mich wende, ein Umdenken und Umlernen
mancher alten Vorstellung. Und gerade den besten Juden, die sich um
die Lösung der Judenfrage tätig bemüht haben, mute ich zu, ihre
bisherigen Versuche als verfehlt und unwirksam anzusehen.
In der Darstellung der Idee habe ich mit einer Gefahr zu kämpfen.
Wenn ich all die in der Zukunft liegenden Dinge zurückhaltend sage,
wird es scheinen, als glaubte ich selbst nicht an ihre Möglichkeit.
Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos ankündige, wird
alles vielleicht wie ein Hirngespinst aussehen.
Darum sage ich deutlich und fest: Ich glaube an die Möglichkeit der
Ausführung, wenn ich mich auch nicht vermesse, die endgültige Form
des Gedankens gefunden zu haben. Der Judenstaat ist ein
Weltbedürfnis, folglich wird er entstehen.
Von irgendeinem einzelnen betrieben, wäre es eine recht verrückte
Geschichte - aber wenn viele Juden gleichzeitig darauf eingehen, ist
es vollkommen vernünftig, und die Durchführung bietet keine
nennenswerten Schwierigkeiten. Die Idee hängt nur von der Zahl ihrer
Anhänger ab. Vielleicht werden unsere aufstrebenden jungen Leute,
denen jetzt schon alle Wege versperrt sind und denen sich im
Judenstaate die sonnige Aussicht auf Ehre, Freiheit und Glück
eröffnet, die Verbreitung der Idee besorgen.
Ich selbst halte meine Aufgabe mit der Publikation dieser Schrift
für erledigt. Ich werde das Wort nur noch nehmen, wenn Angriffe
beachtenswerter Gegner mich dazu zwingen oder wenn es gilt,
unvorhergesehene Einwände zu widerlegen, Irrtümer zu beseitigen.
Ist das, was ich sage, heute noch nicht richtig? Bin ich meiner Zeit
voraus? Sind die Leiden der Juden noch nicht groß genug? Wir werden
sehen.
Es hängt also von den Juden selbst ab, ob diese Staatsschrift
vorläufig nur ein Staatsroman ist. Wenn die jetzige Generation noch
zu dumpf ist, wird eine andere, höhere, bessere kommen. Die Juden,
die wollen, werden ihren Staat haben, und sie werden ihn verdienen.
Die volkswirtschaftliche Einsicht von
Männern, die mitten im praktischen Leben stehen, ist oft verblüffend
gering. Nur so läßt sich erklären, daß auch Juden das Schlagwort der
Antisemiten gläubig nachsagen: wir lebten von den «Wirtsvölkern»,
und wenn wir kein «Wirtsvolk» um uns hätten, müßten wir verhungern.
Das ist einer der Punkte, auf denen sich die Schwächung unseres
Selbstbewußtseins durch die ungerechten Anklagen zeigt. Wie verhält
es sich mit dem «Wirtsvolklichen» in Wahrheit? Soweit das nicht die
alte physiokratische Beschränktheit enthält, beruht es auf dem
kindlichen Irrtum, daß im Güterleben immer dieselben Sachen
rundlaufen. Nun müssen wir nicht erst, wie Rip van Winkle, aus
vieljährigem Schlafe erwachen, um zu erkennen, daß die Welt sich
durch das unaufhörliche Entstehen neuer Güter verändert. In unserer
vermöge der technischen Fortschritte wunderbaren Zeit sieht auch der
geistig Ärmste mit seinen verklebten Augen rings um sich her neue
Güter auftauchen. Der Unternehmungsgeist hat sie geschaffen.
Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre, alte; ihr
typisches Beispiel, die des Ackerbauers, der noch genau dort steht,
wo sein Urvater vor tausend Jahren stand. Alle materielle Wohlfahrt
ist durch Unternehmer verwirklicht worden. Man schämt sich beinahe,
eine solche Banalität niederzuschreiben. Selbst wenn wir also
ausschließlich Untemehmer wären - wie die törichte Übertreibung
behauptet -, brauchten wir kein «Wirtsvolk». Wir sind nicht auf
einen Rundlauf immer gleicher Güter angewiesen, weil wir neue Güter
erzeugen.
Wir haben Arbeitssklaven von unerhörter Kraft, deren Erscheinen in
der Kulturwelt eine tödliche Konkurrenz für die Handarbeit war: das
sind die Maschinen. Wohl braucht man auch Arbeiter, um die Maschinen
in Bewegung zu setzen; aber für diese Erfordernisse haben wir
Menschen genug, zu viel. Nur wer die Zustände der Juden in vielen
Gegenden des östlichen Europa nicht kennt, wird zu behaupten wagen,
daß die Juden zur Handarbeit untauglich oder unwillig seien. Aber
ich will in dieser Schrift keine Verteidigung der Juden vornehmen.
Sie wäre nutzlos. Alles Vernünftige und sogar alles Sentimentale ist
über diesen Gegenstand schon gesagt worden. Nun genügt es nicht, die
treffenden Gründe für Verstand und Gemüt zu finden; die Hörer müssen
zuerst fähig sein zu begreifen, sonst ist man ein Prediger in der
Wüste. Sind aber die Hörer schon so weit, so hoch, dann ist die
ganze Predigt überflüssig. Ich glaube an das Aufsteigen der Menschen
zu immer höheren Graden der Gesittung; nur halte ich es für ein
verzweifelt langsames. Wollten wir warten, bis sich der Sinn auch
der mittleren Menschen zur Milde abklärt, die Lessing hatte, als er
«Nathan den Weisen» schrieb, so könnte darüber unser Leben und das
unserer Söhne, Enkel, Urenkel vergehen. Da kommt uns der Weltgeist
von einer anderen Seite zu Hilfe.
Dieses Jahrhundert hat uns eine köstliche Renaissance gebracht durch
technische Errungenschaften. Nur für die Menschlichkeit ist dieser
märchenhafte Fortschritt noch nicht verwendet. Die Entfernungen der
Erdoberfläche sind überwunden, und dennoch quälen wir uns ab mit
Leiden der Enge. Schnell und gefahrlos jagen wir jetzt in riesigen
Dampfern über früher unbekannte Meere. Sichere Eisenbahnen führen
wir hinauf in eine Bergwelt, die man ehemals mit Angst zu Fuß
bestieg. Die Vorgänge in Ländern, die noch gar nicht entdeckt waren,
als Europa die Juden in Ghetti sperrte, sind uns in der nächsten
Stunde bekannt. Darum ist die Judennot ein Anachronismus - und
nicht, weil es schon vor hundert Jahren eine Aufklärungszeit gab,
die in Wirklichkeit nur für die vornehmsten Geister bestand.
Nun meine ich, daß das elektrische Licht durchaus nicht erfunden
wurde, damit einige Snobs ihre Prunkgemächer beleuchten, sondern
damit wir bei seinem Scheine die Fragen der Menschheit lösen. Eine,
und nicht die unbedeutendste, ist die Judenfrage. Indem wir sie
lösen, handeln wir nicht nur für uns selbst, sondern auch für viele
andere Mühselige und Beladene.
Die Judenfrage besteht. Es wäre töricht, sie zu leugnen. Sie ist ein
verschlepptes Stück Mittelalter, mit dem die Kulturvölker auch heute
beim besten Willen noch nicht fertig werden konnten. Den großmütigen
Willen zeigten sie ja, als sie uns emanzipierten. Die Judenfrage
besteht überall, wo Juden in merklicher Anzahl leben. Wo sie nicht
ist, da wird sie durch hinwandernde Juden eingeschleppt. Wir ziehen
natürlich dahin, wo man uns nicht verfolgt; durch unser Erscheinen
entsteht dann die Verfolgung. Das ist wahr, muß wahr bleiben,
überall, selbst in hochentwickelten Ländern - Beweis Frankreich -,
solange die Judenfrage nicht politisch gelöst ist. Die armen Juden
tragen jetzt den Antisemitismus nach England, sie haben ihn schon
nach Amerika gebracht.
Ich glaube den Antisemitismus, der eine vielfach komplizierte
Bewegung ist, zu verstehen. Ich betrachte diese Bewegung als Jude,
aber ohne Haß und Furcht. Ich glaube zu erkennen, was im
Antisemitismus roher Scherz, gemeiner Brotneid, angeerbtes
Vorurteil, religiöse Unduldsamkeit - aber auch, was darin
vermeintliche Notwehr ist. Ich halte die Judenfrage weder für eine
soziale noch für eine religiöse, wenn sie sich auch noch so und
anders färbt. Sie ist eine nationale Frage, und um sie zu lösen,
müssen wir sie vor allem zu einer politischen Weltfrage machen, die
im Rate der Kulturvölker zu regeln sein wird.
Wir sind ein Volk, ein Volk.
Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden
Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu
bewahren. Man läßt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an
manchen Orten sogar überschwengliche Patrioten, vergebens bringen
wir dieselben Opfer an Gut und Blut wie unsere Mitbürger, vergebens
bemühen wir uns, den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und
Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen.
In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit
Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrien; oft
von solchen, deren Geschlechter noch nicht im Lande waren, als
unsere Väter da schon seufzten. Wer der Fremde im Lande ist, das
kann die Mehrheit entscheiden; es ist eine Machtfrage, wie alles im
Völkerverkehre. Ich gebe nichts von unserem ersessenen guten Recht
preis, wenn ich das als ohnehin mandatloser einzelner sage. Im
jetzigen Zustande der Welt und wohl noch in unabsehbarer Zeit geht
Macht vor Recht. Wir sind also vergebens überall brave Patrioten,
wie es die Hugenotten waren, die man zu wandern zwang. Wenn man uns
in Ruhe ließe. . .
Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen. Durch Druck und
Verfolgung sind wir nicht zu vertilgen. Kein Volk der Geschichte hat
solche Kämpfe und Leiden ausgehalten wie wir. Die Judenhetzen haben
immer nur unsere Schwächlinge zum Abfall bewogen. Die starken Juden
kehren trotzig zu ihrem Stamme heim, wenn die Verfolgungen
ausbrechen. Man hat das deutlich in der Zeit unmittelbar nach der
Judenemanzipation sehen können. Den geistig und materiell höher
stehenden Juden kam das Gefühl der Zusammengehörigkeit gänzlich
abhanden. Bei einiger Dauer des politischen Wohlbefindens
assimilieren wir uns überall; ich glaube, das ist nicht unrühmlich.
Der Staatsmann, der für seine Nation den jüdischen Rasseneinschlag
wünscht, müßte daher für die Dauer unseres politischen Wohlbefindens
sorgen. Und selbst ein Bismarck vermöchte das nicht.
Denn tief im Volksgemüt sitzen alte Vorurteile gegen uns. Wer sich
davon Rechenschaft geben will, braucht nur dahin zu horchen, wo das
Volk sich aufrichtig und einfach äußert: Das Märchen und das
Sprichwort sind antisemitisch. Das Volk ist überall ein großes Kind,
das man freilich erziehen kann; doch diese Erziehung würde im
günstigsten Falle so ungeheure Zeiträume erfordern, daß wir uns, wie
ich schon sagte, vorher längst auf andere Weise können geholfen
haben.
Die Assimilierung, worunter ich nicht etwa nur Äußerlichkeiten der
Kleidung, gewisser Lebensgewohnheiten, Gebräuche und der Sprache,
sondern ein Gleichwerden in Sinn und Art verstehe, die Assimilierung
der Juden könnte überall nur durch die Mischehe erzielt werden.
Diese müßte aber von der Mehrheit als Bedürfnis empfunden werden; es
genügt keineswegs, die Mischehe gesetzlich als zulässig zu erklären.
Die ungarischen Liberalen, die das jetzt getan haben, befinden sich
in einem bemerkenswerten Irrtum. Und diese doktrinär eingerichtete
Mischehe wurde durch einen der ersten Fälle gut illustriert; ein
getaufter Jude heiratete eine Jüdin. Der Kampf um die jetzige Form
der Eheschließung hat aber die Gegensätze zwisehen Christen und
Juden in Ungarn vielfach verschärft und dadurch der
Rassenvermischung mehr geschadet als genützt. Wer den Untergang der
Juden durch Vermischung wirklieh wünscht, kann dafür nur eine
Möglichkeit sehen. Die Juden müßten vorher so viel ökonomische Macht
erlangen, daß dadurch das alte gesellschaftliche Vorurteil
überwunden würde. Das Beispiel liefert die. Aristokratie, in der die
Mischehen verhältnismäßig am häufigsten vorkommen. Der alte Adel
läßt sich mit Judengeld neu vergolden, und dabei werden jüdische
Familien resorbiert. Aber wie würde sich diese Erscheinung in den
mittleren Schichten gestalten, wo die Judenfrage ihren Hauptsitz
hat, weil die Juden ein Mittelstandsvolk sind? Da wäre die vorher
nötige Erlangung der Macht gleichbedeutend mit der wirtschaftlichen
Alleinherrschaft der Juden, die ja schon jetzt fälschlich behauptet
wird. Und wenn schon die jetzige Macht der Juden solche Wut- und
Notschreie der Antisemiten hervorruft, welche Ausbrüche kämen erst
durch das weitere Wachsen dieser Macht! Eine solche Vorstufe der
Resorption kann nicht erreieht werden; denn es wäre die Unterjochung
der Majorität durch eine noch vor kurzem verachtete Minorität, die
nicht im Besitze der kriegerischen oder administrativen Gewalt ist.
Ich halte deshalb die Resorption der Juden auch auf dem Wege des
Gedeihens für unwahrscheinlich. In den derzeit antisemitischen
Ländern wird man mir beipflichten. In den anderen, wo sich die Juden
augenblicklich wohlbefinden, werden meine Stammesgenossen meine
Behauptungen vermutlich auf das heftigste bestreiten. Sie werden mir
erst glauben, bis sie wieder von der Judenhetze heimgesucht sind.
Und je länger der Antisemitismus auf sich warten läßt, um so
grimmiger muß er ausbrechen. Die Infiltration hinwandernder, von der
scheinbaren Sicherheit angezogener Juden sowie die aufsteigende
Klassenbewegung der autochthonen Juden wirken dann gewaltig zusammen
und drängen zu einem Umsturz. Nichts ist einfacher als dieser
Vernunftschluß.
Daß ich ihn aber unbekümmert und nur der Wahrheit folgend ziehe,
wird mir voraussichtlich den Widerspruch, die Feindschaft der in
günstigen Verhältnissen lebenden Juden eintragen. Soweit es nur
Privatinteressen sind, deren Träger sich aus Beschränktheit oder
Feigheit bedroht fühlen, könnte man mit lachender Verachtung darüber
hinweggehen. Denn die Sache der Armen und Bedrückten ist wichtiger.
Ich will jedoch von vornherein keine unrichtigen Vorstellungen
aufkommen lassen: namentlich die nicht, daß, wenn jemals dieser Plan
verwirklicht würde, die besitzenden Juden an Hab und Gut geschädigt
werden könnten. Darum will ich das Vermögensrechtliche ausführlich
erklären. Kommt hingegen der ganze Gedanke nicht über die Literatur
heraus, so bleibt ja ohnehin alles beim alten. Ernster wäre der
Einwand, daß ich den Antisemiten zur Hilfe komme, wenn ich uns ein
Volk, ein Volk nenne, daß ich die Assimilierung der Juden, wo sie
sich vollziehen will, hindere und, wo sie sich vollzogen hat,
nachträglich gefährde, soweit ich als einsamer Schriftsteller
überhaupt etwas zu hindem oder zu gefährden vermag.
Dieser Einwand wird namentlich in Frankreich hervorkommen. Ich
erwarte ihn auch an anderen Orten, will aber nur den französischen
Juden im voraus antworten, weil sie das stärkste Beispiel liefern.
Wie sehr ich auch die Persönlichkeit verehre, die starke
Einzelpersönlichkeit des Staatsmannes, Erfinders, Künstlers,
Philosophen oder Feldherrn sowohl als die Gesamtpersönlichkeit einer
historischen Gruppe von Menschen, die wir Volk nennen, wie sehr ich
auch die Persönlichkeit verehre, beklage ich doch nicht ihren
Untergang. Wer untergehen kann, will und muß, der soll untergehen.
Die Volkspersönlichkeit der Juden kann, will und muß aber nicht
untergehen. Sie kann nicht, weil äußere Feinde sie zusammenhalten.
Sie will nicht, das hat sie in zwei Jahrtausenden unter ungeheuren
Leiden bewiesen. Sie muß nicht, das versuche ich in dieser Schrift
nach vielen anderen Juden, welche die Hoffnung nicht aufgaben,
darzutun. Ganze Äste des Judentums können absterben, abfallen; der
Baum lebt.
Wenn nun alle oder einige französische Juden gegen diesen Entwurf
protestieren, weil sie sich bereits «assimiliert» hätten, so ist
meine Antwort einfach: Die ganze Sache geht sie nichts an. Sie sind
israelitische Franzosen, vortrefflich! Dies ist jedoch eine innere
Angelegenheit der Juden.
Nun würde allerdings die staatsbildende Bewegung, die ich
vorschlage, den israelitischen Franzosen ebensowenig schaden wie den
«Assimilierten» anderer Länder. Nützen würde sie ihnen im Gegenteil,
nützen! Denn sie wären in ihrer «chromatischen Funktion», um Darwins
Worte zu gebrauchen, nicht mehr gestört. Sie könnten sich ruhig
assimilieren, weil der jetzige Antisemitismus für immer zum
Stillstand gebracht wäre. Man würde es ihnen auch glauben, daß sie
bis ins Innerste ihrer Seele assimiliert sind, wenn der neue
Judenstaat mit seinen besseren Einrichtungen zur Wahrheit geworden
ist und sie dennoch bleiben, wo sie jetzt wohnen.
Noch mehr Vorteil als die christlichen Bürger würden die
«Assimilierten» von der Entfernung der stammestreuen Juden haben.
Denn die Assimilierten werden die beunruhigende, unberechenbare,
unvermeidliche Konkurrenz des jüdischen Proletariats los, das durch
politischen Druck und wirtschaftliche Not von Ort zu Ort, von Land
zu Land geworfen wird. Dieses schwebende Proletariat würde
festgemacht werden. Jetzt können manche christlichen Staatsbürger -
man nennt sie Antisemiten - sich gegen die Einwanderung fremder
Juden sträuben. Die israelitischen Staatsbürger können das nicht,
obwohl sie viel schwerer betroffen sind; denn auf sie drückt
zunächst der Wettbewerb gleichartiger wirtschaftlicher Individuen,
die zudem auch noch den Antisemitismus importieren oder den
vorhandenen verschärfen. Es ist ein heimlicher Jammer der
Assimilierten, der sich in «wohltätigen» Unternehmungen Luft macht.
Sie gründen Auswanderungsvereine für zureisende Juden. Diese
Erscheinung enthält einen Gegensinn, den man komisch finden könnte,
wenn es sich nicht um leidende Menschen handelte. Einzelne dieser
Unterstützungsvereine sind nicht für, sondern gegen die verfolgten
Juden da; Die Ärmsten sollen nur recht schnell, recht weit
weggeschafft werden. Und so entdeckt man bei aufmerksamer
Betrachtung, daß mancher scheinbare Judenfreund nur ein als
Wohltäter verkleideter Antisemit jüdischen Ursprungs ist.
Aber selbst die Kolonisierungsversuche wirklich wohlmeinender Männer
haben sich bisher nicht bewährt, obwohl es interessante Versuche
waren. Ich glaube nicht, daß es sich bei dem oder jenem nur um einen
Sport gehandelt habe; daß der oder jener arme Juden wandern ließ,
wie man Pferde rennen läßt. Dazu ist die Sache denn doch zu ernst
und traurig. Interessant waren diese Versuche insofern, als sie im
kleinen die praktischen Vorläufer der Judenstaatsidee vorstellten.
Und sogar nützlich waren sie insofern, als dabei Fehler gemacht
wurden, aus denen man bei einer Verwirklichung im großen lernen
kann. Freilich ist durch diese Versuche auch Schaden gestiftet
worden. Die Verpflanzung des Antisemitismus nach neuen Gegenden,
welche die notwendige Folge einer solchen künstlichen Infiltration
ist, halte ich noch für den geringsten Nachteil. Schlimmer ist, daß
die ungenügenden Ergebnisse bei den Juden selbst Zweifel an der
Brauchbarkeit des jüdischen Menschenmaterials hervorriefen. Diesem
Zweifel wird aber bei den Verständigen durch folgende einfache
Argumentation beizukommen sein: Was im kleinen unzweckmäßig oder
undurchführbar ist, muß es noch nicht im großen sein. Ein kleines
Unternehmen kann unter denselben Bedingungen Verlust bringen, unter
denen ein großes sich rentiert. Ein Bach ist nicht einmal mit Kähnen
schiffbar; der Fluß, in den er sich ergießt, trägt stattliche
eiserne Fahrzeuge.
Niemand ist stark oder reich genug, um ein Volk von einem Wohnort
nach einem anderen zu versetzen. Das vermag nur eine Idee. Die
Staatsidee hat wohl eine solche Gewalt. Die Juden haben die ganze
Nacht ihrer Geschichte hindurch nicht aufgehört, diesen königlichen
Traum zu träumen: «Übers Jahr in Jerusalem!» ist unser altes Wort.
Nun handelt es sich darum, zu zeigen, daß aus dem Traum ein
tagheller Gedanke werden kann.
Dazu muß vor allem in den Seelen tabula rasa gemacht werden von
mancherlei alten, überholten, verworrenen, beschränkten
Vorstellungen. So werden dumpfe Gehirne zunächst meinen, daß die
Wanderung aus der Kultur hinaus in die Wüste gehen müsse. Nicht
wahr! Die Wanderung vollzieht sich mitten in der Kultur. Man kehrt
nicht auf eine niedrigere Stufe zurück, sondern ersteigt eine
höhere. Man bezieht keine Lehmhütten, sondern schönere, modernere
Häuser, die man sich neu baut und ungefährdet besitzen darf. Man
verliert nicht sein erworbenes Gut, sondern verwertet es. Man gibt
sein gutes Recht nur auf gegen ein besseres. Man trennt sich nicht
von seinen lieben Gewohnheiten, sondern findet sie wieder. Man
verläßt das alte Haus nicht, bevor das neue fertig ist. Es ziehen
immer nur diejenigen, die sicher sind, ihre Lage dadurch zu
verbessern. Erst die Verzweifelten, dann die Armen, dann die
Wohlhabenden, dann die Reichen. Die Vorangegangenen erheben sich in
die höhere Schicht, bis diese letztere ihre Angehörigen nach
schickt. Die Wanderung ist zugleich eine aufsteigende
Klassenbewegung.
Und hinter den abziehenden Juden entstehen keine wirtschaftlichen
Störungen, keine Krisen und Verfolgungen, sondern es beginnt eine
Periode der Wohlfahrt für die verlassenen Länder. Es tritt eine
innere Wanderung der christlichen Staatsbürger in die aufgegebenen
Positionen der Juden ein. Der Abfluß ist ein allmählicher, ohne jede
Erschütterung, und schon sein Beginn ist das Ende des
Antisemitismus. Die Juden scheiden als geachtete Freunde, und wenn
einzelne dann zurückkommen, wird man sie in den zivilisierten
Ländern genauso wohlwollend aufnehmen und behandeln wie andere
fremde Staatsangehörige. Diese Wanderung ist auch keine Flucht,
sondern ein geordneter Zug unter der Kontrolle der öffentlichen
Meinung. Die Bewegung ist nicht nur mit vollkommen gesetzlichen
Mitteln einzuleiten, sie kann überhaupt nur durchgeführt werden
unter freundlicher Mitwirkung der beteiligten Regierungen, die davon
wesentliche Vorteile haben.
Für die Reinheit der Idee und die Kraft ihrer Ausführung sind
Bürgschaften nötig, die sich nur in sogenannten «moralischen» oder
«juristischen» Personen finden lassen. Ich will diese beiden
Bezeichnungen, die in der Juristensprache häufig verwechselt werden,
auseinanderhalten. Als moralische Person, welche Subjekt von Rechten
außerhalb der Privatvermögenssphäre ist, stelle ich die Society of
Jews auf. Daneben steht die juristische Person der Jewish Company,
die ein Erwerbswesen ist.
Der einzelne, der auch nur Miene machte, ein solches Riesenwerk zu
unternehmen, könnte ein Betrüger oder ein Wahnsinniger sein. Für die
Reinheit der moralischen Person bürgt der Charakter ihrer
Mitglieder. Die ausreichende Kraft der juristischen Person ist
erwiesen durch ihr Kapital.
Durch die bisherigen Vorbemerkungen wollte ich nur in aller Eile den
ersten Schwarm von Einwendungen abwehren, den schon das Wort
«Judenstaat» hervorrufen muß. Von hier weiter wollen wir uns mit
mehr Ruhe auseinandersetzen, andere Einwände bekämpfen und manches
schon Angedeutete gründlicher ausführen, wenn auch die
Schwerfälligkeit im Interesse der Schrift, die fliegen soll, nach
Möglichkeit zu vermeiden sein wird. Kurze aphoristische Kapitel
dienen einem solchen Zweck wohl am besten.
Wenn ich an die Stelle eines alten Baues einen neuen setzen will,
muß ich zuerst demolieren und dann konstruieren. Diese vernünftige
Reihenfolge werde ich also einhalten. Zuerst im allgemeinen Teil
sind die Begriffe zu klären, dumpfe alte Vorstellungen
hinwegzuräumen, die politischen und nationalökonomischen
Vorbedingungen festzustellen und der Plan zu entwickeln.
Im besonderen Teil, der in drei Hauptabschnitte zerfällt, ist die
Ausführung darzustellen. Diese Hauptabschnitte sind: Jewish Company,
Ortsgruppen und Society of Jews. Die Society soll zwar zuerst
entstehen, und die Company zuletzt; aber im Entwurf empfiehlt sich
die umgekehrte Ordnung, weil gegen die finanzielle Durchführbarkeit
sich die größten Bedenken erheben werden, die also zunächst zu
widerlegen sind.
Im Schlußworte wird dann den noch übrigen vermutbaren Einwendungen
ein letztes Treffen zu liefern sein. Meine jüdischen Leser mögen mir
geduldig bis ans Ende folgen. Bei manchem werden die Einwendungen in
anderer Reihenfolge entstehen als in der hier gewählten der
Widerlegung. Wessen Bedenken aber vernünftig besiegt sind, der soll
sich zur Sache bekennen.
Indem ich nun zur Vernunft spreche, weiß ich dennoch wohl, daß die
Vernunft allein nicht genügt. Alte Gefangene gehen nicht gern aus
dem Kerker. Wir werden sehen, ob uns schon die Jugend, die wir
brauchen, nachgewachsen ist; die Jugend, welche die Alten mitreißt,
auf starken Armen hinausträgt und die Vernunftgründe umsetzt in
Begeisterung.
DIE JUDENFRAGE
Die Notlage der Juden wird niemand leugnen. In allen Länden, wo sie in merklicher Anzahl leben, werden sie mehr oder weniger verfolgt. Die Gleichberechtigung ist zu ihren Ungunsten fast überall tatsächlich aufgehoben, wenn sie im Gesetze auch existiert.
Schon die mittelhohen Stellen im Heer, in
öffentlichen und privaten Ämtern sind ihnen unzugänglich. Man
versucht, sie aus dem Geschäftsverkehr hinauszudrängen: «Kauft nicht
bei Juden!»
Die Angriffe in Parlamenten, Versammlungen, Presse, auf
Kirchenkanzeln, auf der Straße, auf Reisen - Ausschließung aus
gewissen Hotels - und selbst an Unterhaltungsorten mehren sich von
Tag zu Tag. Die Verfolgungen haben verschiedenen Charakter nach
Ländern und Gesellschaftskreisen. In Rußland werden Judendörfer
gebrandschatzt, in Rumänien erschlägt man ein paar Menschen, in
Deutschland prügelt man sie gelegentlich durch, in Österreich
terrorisieren die Antisemiten das ganze öffentliche Leben, in
Algerien treten Wanderhetzprediger auf, in Paris knöpft sich die
sogenannte bessere Gesellschaft zu, die Cercles schließen sich gegen
die Juden ab. Die Nuancen sind zahllos. Es soll hier übrigens nicht
eine wehleidige Aufzählung aller jüdischen Beschwerden versucht
werden. Wir wollen uns nicht bei Einzelheiten aufhalten, wie
schmerzlich sie auch seien.
Ich beabsichtige nicht, eine gerührte Stimmung für uns
hervorzurufen. Das ist alles faul, vergeblich und unwürdig. Ich
begnüge mich, die Juden zu fragen: Ob es wahr ist, daß in den
Ländern, wo wir in merklicher Anzahl wohnen, die Lage der jüdischen
Advokaten, Ärzte, Techniker, Lehrer und Angestellten aller Art immer
unerträglicher wird? Ob es wahr, daß unser ganzer jüdischer
Mittelstand schwer bedroht ist? Ob es wahr, daß gegen unsere Reichen
alle Leidenschaften des Pöbels gehetzt werden? Ob es wahr, daß
unsere Armen viel härter leiden als jedes andere Proletariat?
Ich glaube, der Druck ist überall vorhanden. In den wirtschaftlich
obersten Schichten der Juden bewirkt er ein Unbehagen.
In den
mittleren Schichten ist es eine schwere dumpfe Beklommenheit.
In den
unteren ist es die nackte Verzweiflung.
Tatsache ist, daß es überall auf dasselbe hinausgeht, und es läßt
sich im klassischen Berliner Rufe zusammenfassen: «Juden raus!»
Ich werde nun die Judenfrage in ihrer knappsten Form ausdrücken:
Müssen wir schon «raus»? und wohin?
Oder können wir noch bleiben? und wie lange?
Erledigen wir zuerst die Frage des Bleibens. Können wir auf bessere
Zeiten hoffen, uns in Geduld fassen, mit Gottergebung abwarten, daß
die Fürsten und Völker der Erde in eine für uns gnädigere Stimmung
geraten? Ich sage, wir können keinen Umschwung der Strömung
erwarten. Warum? Die Fürsten - selbst wenn wir ihrem Herzen ebenso
nahestehen wie die anderen Bürger - können uns nicht schützen. Sie
würden den Judenhaß indossieren, wenn sie den Juden zuviel
Wohlwollen bezeigten. Und unter diesem «zuviel» ist weniger zu
verstehen, als worauf jeder gewöhnliche Bürger oder jeder Volksstamm
Anspruch hat. Die Völker, bei denen Juden wohnen, sind alle samt und
sonders verschämt oder unverschämt Antisemiten.
Das gewöhnliche Volk hat kein historisches Verständnis und kann
keines haben. Es weiß nicht, daß die Sünden des Mittelalters jetzt
an den europäischen Völkern heimkommen. Wir sind, wozu man uns in
den Ghetti gemacht hat. Wir haben zweifellos eine Überlegenheit im
Geldgeschäfte erlangt, weil man uns im Mittelalter daraufgeworfen
hat.Jetzt wiederholt sich der gleiche Vorgang. Man drängt uns wieder
ins Geldgeschäft, das jetzt Börse heißt, indem man uns alle anderen
Erwerbszweige abbindet. Sind wir aber in der Börse, so wird das
wieder zur neuen Quelle unserer Verächtlichkeit. Dabei produzieren
wir rastlos mittlere Intelligenzen, die keinen Abfluß haben und
dadurch eine ebensolche Gesellschaftsgefahr sind wie die wachsenden
Vermögen. Die gebildeten und besitzlosen Juden fallen jetzt alle dem
Sozialismus zu. Die soziale Schlacht müßte also jedenfalls auf
unserem Rücken geschlagen werden, weil wir im kapitalistischen wie
im sozialistischen Lager auf den exponiertesten Punkten stehen.
Bisherige Versuche der Lösung
Die künstlichen Mittel, die man bisher zur Überwindung des Judennotstandes aufwandte, waren entweder zu kleinlich - oder falsch gedacht.
Die künstlichen Mittel, die man bisher
zur Überwindung des Judennotstandes aufwandte, waren entweder zu
kleinlich - wie die verschiedenen Kolonisierungen - oder falsch
gedacht, wie die Versuche, die Juden in ihrer jetzigen Heimat zu
Bauern zu machen.
Was ist denn damit getan, wenn man ein paar tausend Juden in eine
andere Gegend bringt? Entweder sie gedeihen, und dann entsteht mit
ihrem Vermögen der Antisemitismus - oder sie gehen gleich zugrunde.
Mit den bisherigen Versuchen der Ableitung armer Juden nach anderen
Ländern haben wir uns schon vorhin beschäftigt. Die Ableitung ist
jedenfalls ungenügend und zwecklos, Wenn nicht geradezu zweckwidrig.
Die Lösung wird dadurch nur vertagt, verschleppt und vielleicht
sogar erschwert.
Wer aber die Juden zu Ackerbauern machen will, der ist in einem
wunderlichen Irrtume begriffen. Der Bauer ist nämlich eine
historische Kategorie, und man erkennt das am besten an der Tracht,
die in den meisten Ländern Jahrhunderte alt ist, sowie an seinen
Werkgerätschaften, die genau dieselben sind wie zu Urväterzeiten.
Sein Pflug ist noch so, er sät aus der Schürze, mäht mit der
geschichtlichen Sense und drischt mit dem Flegel. Wir wissen aber,
daß es jetzt für all das Maschinen gibt. Die Agrarfrage ist auch nur
eine Maschinenfrage. Amerika muß über Europa siegen, so wie der
Großgrundbesitz den kleinen vertilgt. Der Bauer ist also eine auf
den Aussterbeetat gesetzte Figur. Wenn man den Bauer künstlich
konserviert, so geschieht es wegen der politischen Interessen, denen
er zu dienen hat. Neue Bauern nach dem alten Rezept machen zu
wollen, ist ein unmögliches und törichtes Beginnen. Niemand ist
reich oder stark genug, die Kultur gewaltsam zurückzuschrauben.
Schon das Erhalten veralteter Kulturzustände ist eine ungeheuere
Aufgabe, für die alle Machtmittel selbst des autokratisch geleiteten
Staates kaum ausreichen. Will man also dem Juden, der intelligent
ist, zumuten, ein Bauer alten Schlages zu werden? Das wäre gerade
so, wie wenn man dem Juden sagte: «Da hast du eine Armbrust, zieh in
den Krieg!» - Was? Mit einer Armbrust, wenn die anderen
Kleinkalibergewehre und Kruppsche Kanonen haben? Die Juden, die man
verbauern will, haben vollkommen recht, wenn sie sich unter solchen
Umständen nicht vom Flecke rühren. Die Armbrust ist eine schöne
Waffe, und sie stimmt mich elegisch, wenn ich Zeit habe. Aber sie
gehört ins Museum.
Nun gibt es freilich Gegenden, wo die verzweifelten Juden sogar aufs
Feld gehen oder doch gehen möchten. Und da zeigt sich, daß diese
Punkte - wie die Enklave von Hessen in Deutschland und manche
Provinzen Rußlands - gerade die Hauptnester des Antisemitismus sind.
Denn die Weltverbesserer, die den Juden ackern schicken, vergessen
eine sehr wichtige Person, die sehr viel dreinzureden hat. Und das
ist der Bauer. Auch der Bauer hat vollkommen recht. Grundsteuer,
Erntegefahr, Druck der Großbesitzer, die billiger arbeiten, und
besonders die amerikanische Konkurrenz machen ihm das Leben sauer
genug. Dazu können die Kornzölle nicht ins Endlose wachsen. Man kann
den Fabrikarbeiter doch auch nicht verhungern lassen; man muß, weil
sein politischer Einfluß im Steigen ist, sogar immer mehr Rücksicht
auf ihn nehmen.
Alle diese Schwierigkeiten sind wohlbekannt, ich erwähne sie daher
nur flüchtig. Ich wollte lediglich andeuten, wie wertlos die
bisherigen in bewußter Absicht - in den meisten Fällen auch in
löblicher Absicht - gemachten Versuche der Lösung waren. Weder die
Ableitung noch die künstliche Herabdrückung des geistigen Niveaus in
unserem Proletariat kann helfen. Das Wundermittel der Assimilierung
haben wir schon erörtert.
So ist dem Antisemitismus nicht beizukommen. Er kann nieht behoben
werden, solange seine Gründe nicht behoben sind. Sind diese aber
behebbar?
Gründe des Antisemitismus
Wir sprechen jetzt nicht mehr von den
Gemütsgründen, alten Vorurteilen und Borniertheiten, sondern von den
politischen und wirtschaftlichen Gründen. Unser heutiger
Antisemitismus darf nicht mit dem religiösen Judenhasse früherer
Zeiten verwechselt werden, wenn der Judenhaß auch in einzelnen
Ländern noch jetzt eine konfessionelle Färbung hat.
Der große Zug
der judenfeindlichen Bewegung ist heute ein anderer. In den
Hauptländern des Antisemitismus ist dieser eine Folge der
Judenemanzipation. Als die Kulturvölker die Unmenschlichkeit der
Ausnahmegesetze einsahen und uns freiließen, kam die Freilassung zu
spät. Wir waren gesetzlich in unseren bisherigen Wohnsitzen nicht
mehr emanzipierbar. Wir hatten uns im Ghetto merkwürdigerweise zu
einem Mittelstandsvolk entwickelt und kamen als eine fürchterliche
Konkurrenz für den Mittelstand heraus. So standen wir nach der
Emanzipation plötzlich im Ringe der Bourgeoisie und haben da einen
doppelten Druck auszuhalten, von innen und von außen. Die
christliche Bourgeoisie wäre wohl nicht abgeneigt, uns dem
Sozialismus als Opfer hinzuwerfen; freilich würde das wenig helfen.
Dennoch kann man die gesetzliche Gleichberechtigung der Juden, wo
sie besteht, nicht mehr aufheben. Nicht nur, weil es gegen das
moderne Bewußtsein wäre, sondem auch, weil das sofort alle Juden,
arm und reich, den Umsturzparteien zujagen würde. Man kann
eigentlich nichts Wirksames gegen uns tun. Früher nahm man den Juden
ihre Juwelen weg. Wie will man heute das bewegliche Vermögen fassen?
Es ruht in bedruckten Papierstücken, die irgendwo in der Welt,
vielleicht in christlichen Kassen, eingesperrt sind. Nun kann man
freilich die Aktien und Prioritäten von Bahnen, Banken,
industriellen Untemehmungen aller Art durch Steucrn treffen, und wo
die progressive Einkommenssteuer besteht, läßt sich auch der ganze
Komplex des beweglichen Vermögens packen. Aber alle derartigen
Versuche können nicht gegen Juden allein gerichtet sein, und wo man
es dennoch versuchen möchte, erlebt man sofort schwere
wirtschaftliche Krisen, die sich keineswegs auf die zuerst
betroffencen Juden beschränken. Durch diese Unmöglichkeit, den Juden
beizukommcn, verstärkt und verbittert sich nur der Haß. In den
Bevölkerungen wächst der Antisemitismus täglich, stündlich und muß
weiter wachsen, weil die Ursachen fortbestehen und nicht behoben
werden können. Die causa remota ist der im Mittelalter eingetretene
Verlust unserer Assimilierbarkeit, die causa proxima unsere
Überproduktion an mittleren Intelligenzen, die keinen Abfluß nach
unten haben und keinen Aufstieg nach oben - nämlich keinen gesunden
Abfluß und keinen gesunden Aufstieg. Wir werden nach unten hin zu
Umstürzlern proletarisiert, bilden die Unteroffiziere aller
revolutionären Parteien, und gleichzeitig wächst nach oben unsere
furchtbare Geldmacht.
Wirkung des Antisemitismus
Der auf uns ausgeübte Druck macht uns
nicht besser. Wir sind nicht anders als die anderen Menschen.
Wir
lieben unsere Feinde nicht, das ist ganz wahr. Aber nur wer sich
selbst zu überwinden vermag, darf es uns vorwerfen. Der Druck
erzeugt bei uns natürlich eine Feindseligkeit gegen unsere Bedränger
- und unsere Feindseligkeit steigert wieder den Druck. Aus diesem
Kreislauf herauszukommen ist unmöglich.
«Doch!» werden weichmütige Schwärmer sagen, «doch, es ist möglich!
Und zwar durch die herbeizuführende Güte der Menschen.»
Brauche ich wirklich erst noch zu beweisen, was das für eine
sentimentale Faselei ist? Wer eine Besserung der Zustände auf die
Güte aller Menschen gründen wollte, der schriebe allerdings eine
Utopie!
Ich sprach schon von unserer «Assimilierung». Ich sage keinen
Augenblick, daß ich sie wünsche. Unsere Volkspersönlichkeit ist
geschichtlich zu berühmt und trotz aller Erniedrigungen zu hoch, als
daß ihr Untergang zu wünschen wäre. Aber vielleicht könnten wir
überall in den uns umgebenden Völkern spurlos aufgehen, wenn man uns
nur zwei Generationen hindurch in Ruhe ließe. Man wird uns nicht in
Ruhe lassen. Nach kurzen Perioden der Duldsamkeit erwacht immer und
immer wieder die Feindseligkeit gegen uns. Unser Wohlergehen scheint
etwas Aufreizendes zu enthalten, weil die Welt seit vielen
Jahrhunderten gewohnt war, in uns die Verächtlichsten unter den
Armen zu sehen. Dabei bemerkt man aus Unwissenheit oder
Engherzigkeit nicht, daß unser Wohlergehen uns als Juden schwächt
und unsere Besonderheiten auslöscht. Nur der Druck preßt uns wieder
an den alten Stamm, nur der Haß unserer Umgebung macht uns wieder zu
Fremden. So sind und bleiben wir denn, ob wir es wollen oder nicht,
eine historische Gruppe von erkennbarer Zusammengehörigkeit.
Wir sind ein Volk - der Feind macht uns ohne unseren Willen dazu,
wie das immer in der Geschichte so war. In der Bedrängnis stehen wir
zusammen, und da entdecken wir plötzlich unsere Kraft. Ja, wir haben
die Kraft, einen Staat, und zwar einen Musterstaat zu bilden. Wir
haben alle menschlichen und sachlichen Mittel, die dazu nötig sind.
Es wäre hier eigentlich schon der Platz, von unserem
«Menschenmaterial» zu sprechen, wie der etwas rohe Ausdruck lautet.
Aber vorher müssen die Hauptzüge des Planes bekannt sein, auf den
alles zu beziehen ist.
Der Plan
Der ganze Plan ist in seiner Grundform
unendlich einfach und muß es ja auch sein, wenn er von allen
Menschen verstanden werden soll.
Man gebe uns die Souveränität eines für unsere gerechten
Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche, alles andere
werden wir selbst besorgen.
Das Entstehen einer neuen Souveränität ist nichts Lächerliches oder
Unmögliches. Wir haben es doch in unseren Tagen miterlebt, bei
Völkern, die nicht wie wir Mittelstandsvölker, sondern ärmere,
ungebildete und darum schwächere Völker sind. Uns die Souveränität
zu verschaffen, sind die Regierungen der vom Antisemitismus
heimgesuchten Länder lebhaft interessiert.
Es werden für die im Prinzip einfache, in der Durchführung
komplizierte Aufgabe zwei große Organe geschaffen: die Society of
Jews und die Jewish Company.
Was die Society of Jews wissenschaftlich und politisch vorbereitet
hat, führt die Jewish Company praktisch aus.
Die Jewish Company besorgt die Liquidierung aller
Vermögensinteressen der abziehenden Juden und organisiert im neuen
Lande den wirtschaftlichen Verkehr.
Den Abzug der Juden darf man sich, wie schon gesagt wurde, nicht als
einen plötzlichen vorstellen. Er wird ein allmählicher sein und
Jahrzehnte dauern. Zuerst werden die Ärmsten gehen und das Land
urbar machen. Sie werden nach einem von vornherein feststehenden
Plane Straßen, Brücken, Bahnen bauen, Telegraphen errichten, Flüsse
regulieren und sich selbst ihre Heimstätten schaffen. Ihre Arbeit
bringt den Verkehr, der Verkehr die Märkte, die Märkte locken neue
Ansiedler heran. Denn jeder kommt freiwillig, auf eigene Kosten und
Gefahr. Die Arbeit, die wir in die Erde versenken, steigert den Wert
des Landes. Die Juden werden schnell einsehen, daß sich für ihre
bisher gehaßte und verachtete Unternehmungslust ein neues dauerndes
Gebiet erschlossen hat.
Will man heute ein Land gründen, darf man es nicht in der Weise
machen, die vor tausend Jahren die einzig mögliche gewesen wäre. Es
ist töricht, auf alte Kulturstufen zurückzukehren, wie es manche
Zionisten möchten. Kämen wir beispielsweise in die Lage, ein Land
von wilden Tieren zu säubern, würden wir es nicht in der Art der
Europäer aus dem fünften Jahrhundert tun. Wir würden nicht einzeln
mit Speer und Lanze gegen Bären ausziehen, sondern eine große,
fröhliche Jagd veranstalten, die Bestien zusammentreiben und eine
Melinitbombe unter sie werfen.
Wenn wir Bauten aufführen wollen, werden wir nicht hilflose
Pfahlbauten an einen Seerand stecken, sondern wir werden bauen, wie
man es jetzt tut. Wir werden kühner und herrlicher bauen, als es je
vorher geschehen ist. Denn wir haben Mittel, die in der Geschichte
noch nicht da waren.
Unseren niedersten wirtschaftlichen Schichten folgen allmählich die
nächsthöheren hinüber. Die jetzt am Verzweifeln sind, gehen zuerst.
Sie werden geführt von unserer überall verfolgten mittleren
Intelligenz, die wir überproduzieren.
Die Frage der Judenwanderung soll durch diese Schrift zur
allgemeinen Diskussion gestellt werden. Das heißt aber nicht, daß
eine Abstimmung eingeleitet wird. Dabei wäre die Sache von
vornherein verloren. Wer nicht mit will, mag dableiben. Der
Widerspruch einzelner Individuen ist gleichgültig.
Wer mit will, stelle sich hinter unsere Fahne und kämpfe für sie in
Wort, Schrift und Tat.
Die Juden, welche sich zu unserer Staatsidee bekennen, sammeln sich
um die Society of Jews. Diese erhält dadurch den Regierungen
gegenüber die Autorität, im Namen der Juden sprechen und verhanddn
zu dürfen. Die Society wird, um es in einer völkerrechtlichen
Analogie zu sagen, als staatsbildende Macht anerkannt. Und damit
wäre der Staat auch schon gebildet.
Zeigen sich nun die Mächte bereit, dem Judenvolke die Souveränität
eines neutralen Landes zu gewähren, so wird die Society über das zu
nehmende Land verhandeln. Zwei Gebiete kommen in Betracht: Palästina
und Argentinien. Bemerkenswerte Kolonisierungsversuche haben auf
diesen beiden Punkten stattgefunden. Allerdings nach dem falschen
Prinzip der allmählichen Infiltration von Juden. Die Infiltration
muß immer schlecht enden. Denn es kommt regelmäßig der Augenblick,
wo die Regierung auf Drängen der sich bedroht fühlenden Bevölkerung
den weiteren Zufluß von Juden absperrt. Die Auswanderung hat
folglich nur dann einen Sinn, wenn ihre Grundlage unsere gesicherte
Souveränität ist.
Die Society of Jews wird mit den jetzigen Landeshoheiten verhandeln,
und zwar unter dem Protektorate der europäischen Mächte, wenn diesen
die Sache einleuchtet. Wir können der jetzigen Landeshoheit
ungeheuere Vorteile gewähren, einen Teil ihrer Staatsschulden
übernehmen, Verkehrswege bauen, die ja auch wir selbst benötigen,
und noch vieles andere. Doch schon durch das Entstehen des
Judenstaates gewinnen die Nachbarländer, weil im großen wie im
kleinen die Kultur eines Landstriches den Wert der Umgebung erhöht.
Palästina oder Argentinien?
Ist Palästina oder Argentinien
vorzuziehen? Die Society wird nehmen, was man ihr gibt und wofür
sich die öffentliche Meinung des Judenvolkes erklärt. Die Society
wird beides feststellen.
Argentinien ist eines der natürlich reichsten Länder der Erde, von
riesigem Flächeninhalt, mit schwacher Bevölkerung und gemäßigtem
Klima. Die argentinische Republik hätte das größte Interesse daran,
uns ein Stück Territorium abzutreten. Die jetzige Judeninfiltration
hat freilich dort Verstimmung erzeugt; man müßte Argentinien über
die wesentliche Verschiedenheit der neuen Judenwanderung aufklären.
Palästina ist unsere unvergeßliche historische Heimat. Dieser Name
allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser Volk. Wenn
Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe, könnten wir uns dafür
anheischig machen, die Finanzen der Türkei gänzlich zu regeln. Für
Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir
würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.
Wir würden als neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz
Europa, das unsere Existenz garantieren müßte. Für die heiligen
Stätten der Christenheit ließe sich eine völkerrechtliche Form der
Exterritorialisierung finden. Wir würden die Ehrenwache um die
heiligen Stätten bilden und mit unserer Existenz für die Erfüllung
dieser Pficht haften. Diese Ehrenwacht wäre das große Symbol für die
Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns qualvollen
Jahrhunderten.
Bedürfnis, Organ, Verkehr
Im vorletzten Kapitel sagte ich: «Die
Jewish Company organisiert im neuen Lande den wirtschaftlichen
Verkehr.»
Ich glaube, hierzu einige Erläuterungen einschalten zu sollen.
Ein
Entwurf, wie der vorliegende, ist in seinen Grundfesten bedroht,
wenn sich die «praktischen» Leute dagegen aussprechen. Nun sind die
praktischen Leute wohl in der Regel nur Routiniers, unfähig, aus
einem engen Kreis alter Vorstellungen herauszutreten. Aber ihr
Widerspruch gilt und vermag dem Neuen sehr zu schaden; wenigstens
solange das Neue selbst nicht stark genug ist, die Praktiker mit
ihren morschen Vorstellungen über den Haufen zu werfen. Als die
Eisenbahnzeit über Europa kam, gab es Praktiker, welche den Bau
gewisser Linien für töricht erklärten, «weil dort nicht einmal die
Postkutsche genug Passagiere hat». Man wußte damals die Wahrheit
noch nicht, die uns heute als eine kindlich einfache vorkommt: daß
nicht die Reisenden die Bahn hervorrufen, sondern umgekehrt die Bahn
die Reisenden hervorruft, wobei freilich das schlummemde Bedürfnis
vorausgesetzt werden muß.
In die Kategorie solcher voreisenbahnlicher «praktischer» Bedenken
wird es gehören, wenn manche sich nicht vorstellen können, wie in
dem neuen, erst noch zu gewinnenden, erst noch zu kultivierenden
Lande der wirtschaftliche Verkehr der Ankömmlinge beschaffen sein
soll. Ein Praktiker wird also beiläufig folgendes sagen:
«Zugegeben, daß die jetzigen Zustände der Juden an vielen Orten
unhaltbar sind und immer schlechter werden müssen; zugegeben, daß
die Auswanderungslust entsteht; zugegeben sogar, daß die Juden nach
dem neuen Lande wandern, wie und was werden sie dort verdienen?
Wovon werden sie Ieben? Der Verkehr vieler Menschen läßt sich doch
nicht künstlich von einem Tag auf den anderen einrichten.»
Darauf ist meine Antwort: Von der künstlichen Einrichtung eines
Verkehrs ist gar nicht die Rede, und am allerwenigsten soll das von
einem Tag auf den anderen gemacht werden. Wenn man aber den Verkehr
auch nicht einzurichten vermag, anregen kann man ihn. Wodurch? Durch
das Organ eines Bedürfnisses. Das Bedürfnis will erkannt, das Organ
will geschaffen werden, der Verkehr macht sich dann von selbst.
Ist das Bedürfnis der Juden, in bessere Zustände zu gelangen, ein
wahres, tiefes, ist das zu schaffende Organ dieses Bedürfnisses, die
Jewish Company, hinreichend mächtig: so muß der Verkehr im neuen
Lande sich in Fülle einstellen. Das liegt freilich in der Zukunft,
wie die Entwicklung des Bahnverkehrs für die Menschen der
dreißigerJahre in der Zukunft lag. Die Eisenbahnen wurden dennoch
gebaut. Man ist glücklicherweise über die Bedenken von Praktikern
der Postkutsche hinweggegangen.
Grundzüge
Die Jewish Company ist zum Teil nach
dem Vorbilde der großen Landnahmegesellschaften gedacht - eine
jüdische Chartered Company, wenn man will. Nur steht ihr nicht die
Ausübung von Hoheitsrechten zu, und sie hat nicht allein koloniale
Aufgaben.
Die Jewish Company wird als eine Aktiengesellschaft gegründet, mit
der englischen Rechtssubjektivität, nach den Gesetzen und unter dem
Schutze Englands. Der Hauptsitz ist London. Wie groß das
Aktienkapital zu sein habe, kann ich jetzt nicht sagen. Unsere
zahlreichen Finanzkünstler werden das ausrechnen. Um aber nicht
unbestimmte Ausdrücke zu gebrauchen, will ich eine Milliarde Mark
annehmen. Es wird vielleicht mehr, vielleicht weniger sein müssen.
Von der Form der Geldbeschaffung, die weiterhin erörtert werden
soll, wird es abhängen, welcher Bruchteil der großen Summe beim
Beginn der Tätigkeit faktisch einzuzahlen ist.
Die Jewish Company ist ein Übergangsinstitut. Sie ist ein rein
geschäftliches Unternehmen, das von der Society of Jews immer
sorgsam unterschieden bleibt. Die Jewish Company hat zunächst die
Aufgabe, die Immobilien der abziehenden Juden zu liquidieren. Die
Art, in der das geschieht, verhütet Krisen, sichert jedem das Seine
und ermöglicht jene innere Wanderung der christlichen Mitbürger, die
schon angedeutet wurde.
Immobiliengeschäft
Die in Betracht kommenden Immobilien
sind Häuser, Landgüter und örtliche Kundschaft der Geschäfte. Die
Jewish Company wird sich anfangs nur bereit erklären, die Verkäufe
dieser Immobilien zu vermitteln. In der ersten Zeit werden ja die
Verkäufe der Juden frei und ohne große Preisstürze stattfinden. Die
Zweigniederlassungen der Company werden in jeder Stadt zu Zentralen
des jüdischen Güterverkaufs werden. Jede Zweiganstalt wird dafür nur
den Provisionssatz erheben, den ihre Selbsterhaltung erfordert. Nun
kann es die Entwicklung der Bewegung mit sich bringen, daß die
Immobilienpreise sinken und schließlich die Verkaufsunmöglichkeit
eintritt. In diesem Stadium spaltet sich die Funktion der Company
als Gütervermittlerin in neue Zweige. Die Company wird Verwalterin
der verlassenen Immobilien und wartet die geeigneten Zeitpunkte zur
Veräußerung ab. Sie erhebt Hauszinse, verpachtet Landgüter und setzt
Geschäftsführer, wenn möglich auch im Pachtverhältnisse - wegen der
nötigen Sorgfalt - ein. Die Company wird überall die Tendenz haben,
diesen Pächtern - Christen - die Eigentumserwerbung zu erleichtern.
Sie wird überhaupt nach und nach ihre europäischen Anstalten mit
durchaus christlichen Beamten und freien Vertretern (Advokaten usw.)
besetzen, und diese sollen durchaus nicht zu Judenknechten werden.
Sie werden gleichsam freie Kontrollbehörden der christlichen
Bevölkerung abgeben dafür, daß alles mit rechten Dingen zugeht, daß
redlich und in gutem Glauben gehandelt und nirgends eine
Erschütterung des Volkswohlstandes beabsichtigt wird.
Zugleich wird die Company als Güterverkäuferin auftreten, richtiger
als Gutstauscherin. Sie wird für ein Haus ein Haus, für ein Gut ein
Gut geben, und zwar «drüben». Alles ist, wenn möglich, so zu
verpflanzen, wie es «hüben» war. Und da eröffnet sich für die
Company eine Quelle großer und erlaubter Gewinne. Sie wird «drüben»
schönere, moderne, mit allem Komfort ausgestattete Häuser, bessere
Landgüter geben, die sie dennoch viel weniger kosten, denn sie hat
Grund und Boden billig erworben.
Der Landkauf
Das der Society of Jews
völkerrechtlich zugesicherte Land ist natürlich auch privatrechtlich
zu erwerben. Die Vorkehrungen zur Ansiedlung, die der einzelne
trifft, fallen nicht in den Rahmen dieser Ausführungen. Aber die
Company braucht große Landstrecken für ihre und unsere Bedürfnisse.
Sie wird sich den nötigen Boden durch zentralisierten Kauf sichern.
Hauptsächlich wird es sich um die Erwerbung der jetzigen
Landeshoheit gehöriger Staatsdomänen handeln. Das Ziel ist, «drüben»
ins Eigentum des Landes zu kommen, ohne die Preise zur Schwindelhöhe
hinaufzutreiben, gleichwie «hüben» verkauft wird, ohne die Preise zu
drücken. Eine wüste Preistreiberei ist dabei nicht zu besorgen, denn
den Wert des Landes bringt erst die Company mit, weil sie die
Besiedlung leitet, und zwar im Einvernehmen mitder beaufsichtigenden
Society of Jews. Die letztere wird auch dafür sorgen, daß aus der
Unternehmung kein Panama werde, sondern ein Suez.
Die Company wird ihren Beamten Bauplätze zu billigen Bedingungen
ablassen, ihnen für den Bau ihrer schönen Heimstätten
Amortisationskredite gewähren und von ihren Gehalten abziehen oder
nach und nach als Zulagen anrechnen. Das wird neben den Ehren, die
sie erwarten, eine Form der Belohnung ihrer Dienste sein.
Der ganze riesige Gewinn aus der Landspekulation soll der Company
zufließen, weil sie für die Gefahr eine unbestimmte Prämie bekommen
muß wie jeder freie Unternehmer. Wo eine Gefahr beim Unternehmen
vorliegt, soll der Unternehmergewinn weitherzig begünstigt werden.
Aber er ist auch nur dort zu dulden. Die Korrelation von Gefahr und
Prämie enthält die finanzielle Sittlichkeit.
Bauten
Die Company wird also Häuser und Güter
eintauschen. Am Grund und Boden wird und muß die Company gewinnen.
Das ist jedem klar, der irgendwo und irgendwann die Werterhöhungen
des Bodens durch Kulturanlagen beobachtet hat. Am besten sieht man
das an den Enklaven in Stadt und Land. Unbebaute Flächen steigen im
Werte durch den Kranz von Kultur, der um sie gelegt wird. Eine in
ihrer Einfachheit geniale Bodenspekulation war die der Pariser
Stadterweiterer, welche die Neubauten nicht an die letzten Häuser
der Stadt unmittelbar anschlossen, sondern die angrenzenden
Grundstücke aufkauften und am äußeren Rande zu bauen anfingen. Durch
diesen umgekehrten Baugang wuchs der Wert der Hausparzellen ungemein
rasch, und statt immer wieder die letzten Häuser der Stadt zu
errichten, bauten sie, nachdem der Rand fertig war, nur noch mitten
in der Stadt, also auf wertvolleren Parzellen.
Wird die Company selbst bauen oder freien Architekten ihre Aufträge
geben? Sie kann beides, sie wird beides tun. Sie hat, wie sich bald
zeigen wird, einen gewaltigen Vorrat an Arbeitskräften, die durchaus
nicht kapitalsmäßig bewuchert werden sollen, die in glückliche und
heitere Bedingungen des Lebens gebracht und doch nicht teuer sein
werden. Für Baumaterial haben unsere Geologen gesorgt, als sie die
Bauplätze für die Städte suchten.
Welches wird nun das Bauprinzip sein?
Arbeiterwohnungen
Die Arbeiterwohnungen (worunter die
Wohnungen aller Handarbeiter begriffen sind) sollen in eigener Regie
hergestellt werden. Ich denke keineswegs an die traurigen
Arbeiterkasernen der europäischen Städte und nicht an die
kümmerlichen Hütten, die um Fabriken herum in Reih und Glied stehen.
Unsere Arbeiterhäuser müssen zwar auch einförmig aussehen - weil die
Company nur billig bauen kann, wenn sie die Baubestandteile in
großen Massen herstellt -, aber diese einzelnen Häuser mit ihren
Gärtchen sollen an jedem Orte zu schönen Gesamtkörpern vereinigt
werden. Die natürliche Beschaffenheit der Gegend wird das frohe
Genie unserer jungen, nicht in der Routine befangenen Architekten
anregen, und wenn das Volk auch nicht den großen Zug des Ganzen
verstehen wird, so wird es sich doch wohlfinden in dieser leichten
Gruppierung. Der Tempel wird weithin sichtbar darin stehen, weil uns
ja nur der alte Glaube zusammengehalten hat. Und freundliche, helle,
gesunde Schulen für Kinder mit allen modernen Lehrmitteln. Ferner
Handwerker-Fortbildungsschulen, die, aufsteigend nach höheren
Zwecken, den einfachen Handwerker befähigen sollen, technologische
Kenntnisse zu erwerben und sich mit dem Maschinenwesen zu
befreunden. Ferner Unterhaltungshäuser für das Volk, welche die
Society of Jews von oben herab für die Sittlichkeit leiten wird. Es
soll jetzt übrigens nur von den Bauten gesprochen werden, nicht
davon, was in ihnen vorgehen wird. Die Arbeiterwohnungen wird die
Company billig bauen, sage ich. Nicht nur, weil alle Baumaterialien
in Masse da sein werden; nicht nur, weil der Grund der Company
gehört, sondem auch, weil sie die Arbeiter dafür nicht zu bezahlen
braucht.
Die Farmer in Amerika haben das System, einander gegenseitig bei
ihren Hausbauten zu helfen. Dieses kindlich gutmütige System - plump
wie die Blockhäuser, die so entstehen - kann sehr verfeinert werden.
"Ungelernte" Arbeiter
Unsere ungelernten Arbeiter, die
zuerst aus dem großen russischen und rumänischen Reservoir kommen
werden, müssen sich auch gegenseitig ihre Häuser bauen. Wir werden
ja anfangs kein eigenes Eisen haben und auch mit Holz bauen müssen.
Das wird später anders werden, und die dürftigen Notbauten der
ersten Zeit werden dann durch bessere ersetzt.
Unsere «unskilled labourers» bauen einander zuerst ihre Unterkünfte,
und sie erfahren es vorher. Und zwar erwerben sie durch die Arbeit
die Häuser ins Eigentum - allerdings nicht gleich, sondern erst
dafür, daß sie sich durch eine Zeit von drei Jahren gut aufführen.
So bekommen wir eifrige, anstellige Leute, und ein Mann, der drei
Jahre in guter Zucht gearbeitet hat, ist erzogen fürs Leben.
Ich sagte vorhin, daß die Company diese Unskilleds nicht zu bezahlen
braucht. Ja, wovon werden sie leben?
Ich bin im allgemeinen gegen das Trucksystem. Bei diesen ersten
Landnehmern sollte es dennoch angewendet werden. Die Company sorgt
in so vielen Beziehungen für sie, daß sie sie auch verpflegen darf.
Das Trucksystem soll überhaupt nur für die ersten Jahre gelten, und
wird auch den Arbeitern eine Wohltat sein, weil es die Bewucherung
durch Kleinhändler, Wirte usw. verhindert. Die Company aber
vereitelt so von vornherein, daß sich unsere kleinen Leute drüben
dem gewohnten Hausierhandel zuwenden, zu dem sie hüben ja auch nur
durch eine geschichtliche Entwicklung gezwungen wurden. Und die
Company behält die Säufer und Liederlichen in der Hand. Es wird also
in der ersten Zeit der Landnahme gar keine Arbeitslöhne geben?
Doch: Überlöhne.
Der Siebenstundentag.
Der Normalarbeitstag ist der Siebenstundentag!
Das heißt nicht, daß täglich nur
sieben Stunden lang Bäume gefällt, Erde gegraben, Steine geführt,
kurz die hundert Arbeiten getan werden sollen. Nein, man wird
vierzehn Stunden arbeiten. Aber die Arbeitertrupps werden einander
nach je dreieinhalb Stunden ablösen. Die Organisation wird ganz
militärisch sein, mit Chargen, Avancement und Pensionierung. Wo die
Pensionen herzunehmen sind, wird später ausgeführt.
Dreieinhalb Stunden hindurch kann ein gesunder Mann sehr viel
konzentrierte Arbeit hergeben. Nach dreieinhalb Stunden Pause - die
er seiner Ruhe, seiner Familie, seiner geleiteten Fortbildung widmet
- ist er wieder ganz frisch. Solche Arbeitskräfte können Wunder
wirken.
Der Siebenstundentag! Er macht vierzehn allgemeine Arbeitsstunden
möglich - mehr geht in den Tag nicht hinein.
Ich habe zudem die Überzeugung, daß der Siebenstundentag vollkommen
durchführbar ist. Man kennt die Versuche in Belgien und England.
Einzelne vorgeschrittene Sozialpolitiker behaupten sogar, daß der
Fünfstundentag vollkommen ausreichen würde. Die Society of Jews und
die Jewish Company werden ja darin reiche neue Erfahrungen sammeln -
die den übrigen Völkern der Erde auch zugute kommen werden -, und
wenn sich zeigt, daß der Siebenstundentag praktisch möglich ist, so
wird ihn unser künftiger Staat als gesetzlichen Normaltag einführen.
Nur die Company wird immerwährend ihren Leuten den Siebenstundentag
gewähren. Sie wird es auch immer tun können.
Den Siebenstundentag aber brauchen wir als Weltsammelruf für unsere
Leute, die ja frei herankommen sollen. Es muß wirklich das Gelobte
Land sein . . .
Wer nun länger als sieben Stunden arbeitet, bekommt für die Überzeit
den Überlohn in Geld. Da alle seine Bedürfnisse gedeckt sind, die
Arbeitsunfähigen seiner Familie aus den hinüber verpflanzten
zentralisierten Wohltätigkeitsanstalten versorgt werden, so kann er
sich etwas ersparen. Wir wollen den bei unseren Leuten ohnehin
vorhandenen Spartrieb fördern, weil er das Aufsteigen des
Individuums in höhere Schichten erleichtert und weil wir uns damit
ein ungeheueres Kapitalreservoir für künftige Anleihen vorbereiten.
Die Überzeit des Siebenstundentages darf nicht mehr als drei Stunden
dauern und auch nur nach ärztlicher Untersuchung. Denn unsere Leute
werden sich im neuen Leben zur Arbeit herandrängen, und die Welt
wird erst sehen, welch ein arbeitsames Volk wir sind. Wie das
Trucksystem der Landnehmer einzurichten ist (Bons usw.), führe ich
jetzt ebensowenig aus wie andere unzählige Details, um nicht zu
verwirren. Die Frauen werden zu schweren Arbeiten überhaupt nicht
zugelassen und dürfen keine Überzeit leisten. Schwangere Frauen sind
von jeder Arbeit befreit und werden vom Truck reichlicher ernährt.
Denn wir brauchen in der Zukunft starke Geschlechter.
Die Kinder erziehen wir gleich von Anfang an, wie wir sie wünschen.
Darauf gehe ich jetzt nicht ein.
Was ich soeben, von den Arbeiterwohnungen ausgehend, über die
Unskilleds und ihre Lebensweise gesagt habe, ist ebensowenig eine
Utopie wie das übrige. Das alles kommt schon in der Wirklichkeit
vor, nur unendlich klein, unbeachtet, unverstanden. Für die Lösung
der Judenfrage war mir die Assistance par le travail, die ich in
Paris kennen und verstehen lernte, von großem Werte.
Die Arbeitshilfe
Die Arbeitshilfe, wie sie jetzt in
Paris und verschiedenen Städten Frankreichs, in England, in der
Schweiz und in Amerika besteht, ist etwas kümmerlich Kleines, doch
das Größte ist daraus zu machen.
Was ist das Prinzip der Assistance par le travail?
Das Prinzip ist, daß man jedem Bedürftigen «unskilled labour» gibt,
eine leichte, ungelernte Arbeit, z.B. Holzzerkleinern, die Erzeugung
der »margotins», mit denen in den Pariser Haushaltungen das
Herdfeuer angemacht wird. Es ist eine Art Gefangenenhausarbeit vor
dem Verbrechen, das heißt ohne Ehrlosigkeit. Niemand braucht mehr
aus Not zum Verbrechen zu schreiten, wenn er arbeiten will. Aus
Hunger dürfen keine Selbstmorde mehr begangen werden. Diese sind ja
ohnehin eines der ärgsten Schandmale einer Kultur, wo vom Tische der
Reichen den Hunden Leckerbissen hingeworfen werden. Die Arbeitshilfe
gibt also jedem Arbeit. Hat sie denn für die Produkte Absatz? Nein.
Wenigstens nicht genügenden. Hier ist der Mangel der bestehenden
Organisation. Diese Assistance arbeitet immer mit Verlust.
Allerdings ist sie auf den Verlust gefaßt. Es ist ja eine
Wohltätigkeitsanstalt. Die Spende stellt sich hier dar als Differenz
zwischen Gestehungskosten und erlöstem Preise. Statt dem Bettler
zwei Sous zu geben, gibt sie ihm eine Arbeit, an der sie zwei Sous
verliert. Der lumpige Bettler aber, der zum edlen Arbeiter geworden
ist, verdient 1 Franc 50 Centimes. Für 10 Centimes 150! Das heißt,
die nicht mehr beschämende Wohltat verfünfzehnfachen. Das heißt, aus
einer Milliarde fünfzehn Millarden machen! Die Assistance verliert
freilich die zehn Centimes. Die Jewish Company wird die Milliarde
nicht verlieren, sondern riesige Gewinne erzielen.
Hinzu kommt das Moralische. Erreicht wird schon durch die kleine
Arbeitshilfe, wie sie jetzt existiert, die sittliche Aufrichtung
durch die Arbeit, bis der beschäftigungslose Mensch eine seinen
Fähigkeiten angemessene Stellung in seinem früheren oder einem neuen
Berufe gefunden hat. Er hat täglich einige Stunden für das Suchen
frei, auch vermittelt die Assistance Dienste.
Das Gebrechen der bisherigen kleinen Einrichtung ist, daß den
Holzhändlern usw. keine Konkurrenz gemacht werden darf. Die
Holzhändler sind Wähler, sie würden schreien, und sie hätten recht.
Auch der Gefangenenhausarbeit des Staates darf keine Konkurrenz
gemacht werden, der Staat muß seine Verbrecher beschäftigen und
verpflegen.
In einer alten Gesellschaft wird für die Assistance par le travail
überhaupt schwer Raum zu schaffen sein. Aber in unserer neuen!
Vor allem brauchen wir ungeheuere Mengen «unskilled labourers» für
unsere ersten Landnahmearbeiten, Straßenanlagen, Durchforstungen,
Erdaushebungen, Bahn- und Telegraphenanlagen usw. Das wird alles
nach einem großen, von Anfang an feststehenden Plane geschehen.
Der Marktverkehr
Indem wir nun die Arbeit ins neue Land
hinüberlegen, bringen wir auch gleich den Marktverkehr mit. Freilich
anfangs nur einen Markt der ersten Lebensbedürfnisse: Vieh,
Getreide, Arbeiterkleider, Werkzeuge, Waffen, um nur einiges zu
erwähnen. Zunächst werden wir das in Nachbarstaaten oder in Europa
einkaufen, uns dann aber möglichst bald selbständig machen. Die
jüdischen Unternehmer werden rasch begriffen haben, welche
Aussichten sich ihnen da eröffnen.
Allmählich werden durch das Heer der Company-Beamten feinere
Bedürfnisse hinübergetragen werden. (Zu den Beamten rechne ich auch
die Offiziere der Schutztruppe, die immer etwa ein Zehntel der
männlichen Einwanderer betragen soll. Das wird gegen Meutereien
schlechter Leute genügen; die meisten sind ja friedfertig.)
Die feineren Bedürfnisse der gutgestellten Beamten erzeugen wieder
einen feineren Markt, der zunehmend wächst. Die Verheirateten lassen
ihre Familien nachkommen, die Ledigen ihre Eltern und Geschwister,
sobald sie drüben ein Heim haben. Wir sehen ja diese Bewegung bei
den Juden, die jetzt nach den Vereinigten Staaten auswandern. Wie
einer Brot zu essen hat, läßt er gleich seine Leute nachkommen. Die
Bande der Familie sind ja so stark im Judentum. Society of Jews und
Jewish Company werden zusammenwirken, um die Familie noch weiter zu
stärken und zu pflcgen. Ich meine hier nicht das Moralische - das
versteht sich von selbst-, sondern das Materielle. Die Beamten
werden Ehe- und Kinderzulagen haben. Wir brauchen Leute, alle, die
da sind, und alle, die nachkommen.
Andere Kategorien von Heimstätten
Ich habe die Hauptkette dieser
Auseinandersetzungen beim Baue der Arbeiterwohnungen in eigener
Regie verlassen. Nun kehre ich zurück zu anderen Kategarien von
Heimstätten. Auch den Kleinbürgern wird die Company durch ihre
Architekten Häuser bauen lassen, entweder als Tauschobjekte oder für
Geld. Die Company wird etwa hundert Häusertypen von ihren
Architekten anfertigen und vervielfältigen lassen. Diese hübschen
Muster werden zugleich einen Teil der Propaganda bilden.Jedes Haus
hat seinen festen Preis, die Güte der Ausführung wird von der
Company garantiert, die am Hausbaue nichts verdienen will. Ja, wo
werden diese Häuser stehen? Das wird bei den Ortsgruppen gezeigt
werden.
Da die Company an den Bauarbeiten nichts verdienen will, sondern nur
am Grund und Boden, so wird es nur erwünscht sein, wenn recht viele
freie Architekten im Privatauftrage bauen. Dadurch wird der
Landbesitz mehr wert, dadurch kommt Luxus ins Land, und den Luxus
brauchen wir für verschiedene Zwecke. Namentlich für die Kunst, für
Industrie und in einer späteren Ferne für den Zerfall der großen
Vermögen.
Ja, die reichen Juden, die jetzt ihre Schätze ängstlich verbergen
müssen und bei herabgelassenen Vorhängen ihre unbehaglichen Feste
geben, werden drüben frei genießen dürfen. Wenn diese Auswanderung
mit ihrer Hilfe zustande kommt, wird das Kapital bei uns drüben
rehabilitiert sein; es wird in einem beispiellosen Werke seine
Nützlichkeit gezeigt haben. Wenn die reichsten Juden anfangen, ihre
Schlösser, die man in Europa schon mit so scheelen Augen ansieht,
drüben zu bauen, so wird es bald modern werden, sich drüben in
prächtigen Häusern anzusiedeln.
Einige Formen der Liquidation
Die Jewish Company ist als Übernehmer oder Verweser von Immobilien der Juden gedacht.
Bei Häusern und Grundstücken lassen
sich diese Aufgaben leicht konstruieren. Wie ist es aber bei
Geschäften? Da werden die Formen vielfältig sein. Sie lassen sich
gar nicht vorher in eine Übersicht bringen. Und doch ist darin keine
Schwierigkeit enthalten. Denn in jedem einzelnen Falle wird der
Inhaber des Geschäftes, wenn er sich zur Auswanderung frei
entschließt, die für ihn günstigste Form der Liquidation mit der
Company-Filiale seines Sprengels vereinbaren.
Bei den kleinsten Geschäftsleuten, in deren Betrieb die persönliche
Betätigung des Inhabers die Hauptsache und das bißchen Ware oder
Einrichtung die Nebensache ist, läßt sich die Vermögensverpflanzung
am leichtesten durchführen. Für die persönliche Betätigung des
Auswanderers schafft die Company ein gesichertes Arbeitsgebiet, und
sein bißchen Material kann ihm drüben in einem Grundstück mit
Maschinenkredit ersetzt werden. Die neue Tätigkeit werden unsere
findigen Leute rasch erlernt haben. Juden passen sich bekanntlich
schnell jeder Erwerbsgattung an. So können viele Händler zu
Kleinindustriellen der Landwirtschaft gemacht werden. Die Company
kann sogar in scheinbare Verluste willigen, wenn sie die nicht
fahrende Habe der Ärmeren übernimmt; denn sie erreicht dadurch die
freie Kultivierung von Landparzellen, wodurch der Wert ihrer übrigen
Parzellen steigt.
In den mittleren Betrieben, wo die sachliche Einrichtung ebenso
wichtig oder schon wichtiger ist als die persönliche Betätigung des
Inhabers und dessen Kredit als ein entscheidendes Imponderabile
hinzukommt, lassen sich verschiedene Formen der Liquidation denken.
Das ist auch einer der Hauptpunkte, auf denen sich die innere
Wanderung der Christen vollziehen kann. Der abziehende Jude verliert
seinen persönlichen Kredit nicht, sondern nimmt ihn mit und wird ihn
zur Etablierung drüben gut verwenden. Die Jewish Company eröffnet
ihm ein Girokonto. Sein bisheriges Geschäft kann er auch frei
verkaufen oder Geschäftsführern unter der Aufsicht der
Company-Organe übergeben. Der Geschäftsführer kann im
Pachtverhältnisse stehen, oder es kann der allmähliche Ankauf durch
Teilzahlungen des Geschäftsführers angebahnt werden. Die Company
sorgt durch ihre Aufsichtsbeamten und Advokaten für die ordentliche
Verwaltung des verlassenen Geschäftes und für den richtigen Eingang
der Zahlungen. Die Company ist hier Kurator der Abwesenden. Kann
aber ein Jude sein Geschäft nicht verkaufen, vertraut er es auch
keinem Mandatar an und will es dennoch nicht aufgeben, so bleibt er
eben an seinem jetzigen Wohnort. Auch diese Zurückbleibenden
verschlechtern ihre jetzige Lage nicht; sie sind um die Konkurrenz
der Abgezogenen erleichtert, und der Antisemitismus mit seinem
«Kauft nicht bei Juden!» hat aufgehört.
Will der auswandernde Geschäftsinhaber drüben wieder dasselbe
Geschäft betreiben, so kann er sich von vornherein darauf
einrichten. Zeigen wir das an einem Beispiel. Die Firma X hat ein
großes Modewarengeschäft. Der Inhaber will auswandern. Er etabliert
zunächst an seinem künftigen Wohnort eine Filiale, an die er seine
ausgemusterte Ware abgibt. Die armen ersten Auswanderer sind drüben
seine Kundschaft. Allmählich ziehen Leute hinüber, die höhere
Modebedürfnisse haben. Nun schickt X neuere Sachen und endlich die
neuesten. Die Filiale wird selbst schon einträglich, während das
Hauptgeschäft noch besteht. Endlich hat X zwei Geschäfte. Das alte
verkauft er oder gibt es seinem christlichen Vertreter zur Führung;
er selbst begibt sich hinüber in sein neues.
Ein größeres Beispiel: Y & Sohn haben ein ausgedehntes
Kohlengeschäft mit Bergwerken und Fabriken. Wie ist solch ein
riesiger Vermögenskomplex zu liquidieren? Das Kohlenbergwerk mit
allem, was drum und dran, kann erstens vom Staat, in dem es liegt,
eingelöst werden. Zweitens kann es die Jewish Company erwerben und
den Kaufpreis teils in Ländereien drüben, teils in Bargeld bezahlen.
Eine dritte Möglichkeit wäre die Gründung einer eigenen
Aktiengesellschaft «Y & Sohn». Eine vierte der Weiterbetrieb in der
bisherigen Weise, nur wären die ausgewanderten Eigentümer, auch wenn
sie gelegentlich zur Inspektion ihrer Güter zurückkehren, Ausländer,
als die sie ja in zivilisierten Staaten auch den vollen Rechtsschutz
genießen. Dies alles sieht man ja täglich im Leben. Eine fünfte,
besonders fruchtbare und großartige Möglichkeit deute ich nur an,
weil es dafür im Leben erst wenige schwache Beispiele gibt, wie nahe
das unserem modernen Bewußtsein auch schon liegt. Y & Sohn können
ihr Unternehmen ihren sämtlichen jetzigen Angestellten gegen Entgelt
übergeben. Die Angestellten treten zu einer Genossenschaft mit
beschränkter Haftung zusammen und können vielleicht mit Hilfe der
Landeskassa, die keine Wucherzinsen nimmt, die Ablösungssumme an Y &
Sohn auszahlen. Die Angestellten amortisieren dann das Darlehen,
welches ihnen von ihrer Landeskassa, von der Jewish Company oder von
Y & Sohn selbst gewährt wurde.
DieJewish Company liquidiert die Kleinsten wie die Größten. Und
während die Juden ruhig wandern, sich die neue Heimat gründen, steht
die Company als die große juristische Person da, welche den Abzug
leitet, die verlassenen Güter hütet, für die gute Ordnung des
Abwickelns mit ihrem sichtbaren, greifbaren Vermögen haftet und für
die schon Ausgewanderten dauernd bürgt.
Bürgschaften der Company
In welcher Form wird die Company die
Bürgschaften leisten, daß in den verlassenen Ländern keine Verarmung
und keine wirtschaftlichen Krisen eintreten?
Es wurde schon gesagt, daß anständige Antisemiten unter Achtung
ihrer uns wertvollen Unabhängigkeit gleichsam als volkstümliche
Kontrollbehörden an das Werk herangezogen werden sollen.
Aber auch der Staat hat fiskalische Interessen, die geschädigt
werden können. Er verliert eine zwar bürgerlich gering, aber
finanziell hochgeschätzte Klasse von Steuerträgern. Es muß ihm dafür
eine Entschädigung geboten werden. Wir bieten sie ihm ja indirekt,
indem wir die mit unserem jüdischen Scharfsinne, unserem jüdischen
Fleiße eingerichteten Geschäfte im Lande lassen, indem wir in unsere
aufgegebenen Positionen die christlichen Mitbürger einrücken lassen
und so ein in dieser Friedlichkeit beispielloses Aufsteigen von
Massen zum Wohlstand ermöglichen. Die Französische Revolution zeigt
im kleinen etwas Ähnliches; aber dazu mußte das Blut unter der
Guillotine, in allen Provinzen des Landes und auf den
Schlachtfeldern Europas in Strömen fließen. Und dazu mußten geerbte
und erworbene Rechte zerbrochen werden. Und dabei bereicherten sich
nur die listigen Käufer der Nationalgüter.
Die Jewish Company wird in ihrem Wirkungskreise den einzelnen
Staaten auch direkte Vorteile zuführen. Überall kann den Regierungen
der Verkauf von verlassenen Judengütern unter günstigen Bedingungen
zugesichert werden. Die Regierungen wieder können diese gütliche
Expropriation in großem Maßstab für gewisse soziale Aufbesserungen
verwenden.
Die Jewish Company wird den Regierungen und Parlamenten, welche die
innere Wanderung der christlichen Bürger leiten wollen, dabei Hilfe
leisten. Die Jewish Company wird auch große Abgaben zahlen.
Die Zentrale hat ihren Sitz in London, weil die Company im
Privatrechtlichen unter dem Schutze einer großen, derzeit nicht
antisemitischen Macht stehen muß. Aber die Company wird, wenn man
sie offiziell und offiziös unterstützt, überall eine breite
Steuerfläche liefern. Die Company wird überall besteuerbare Töchter-
und Zweiganstalten gründen.
Sie wird ferner den Vorteil. doppelter Immobilienumschreibung, also
doppelter Gebühren liefern. Die Company wird selbst dort, wo sie nur
als Immobilienagentur auftritt, sich den vorübergehenden Anschein
des Käufers geben. Sie wird, auch wenn sie nicht besitzen will, im
Grundbuche einen Augenblick als Eigentümer stehen.
Das sind nun freilich rein rechnungsmäßige Sachen. Es wird von Ort
zu Ort erhoben und entschieden werden müssen, wie weit die Company
darin gehen kann, ohne ihre Existenz zu gefährden. Sie wird darüber
freimütig mit den Finanzministern verhandeln. Diese werden den guten
Willen deutlich sehen, und sie werden überall die Erleichterungen
gewähren, die zur erfolgreichen Durchführung des großen Unternehmens
nachweisbar erforderlich sind.
Eine weitere direkte Zuwendung ist die im Güter- und
Personentransporte. Wo die Bahnen staatlich sind, ist das sofort
klar. Bei den Privatbahnen erhält die Company, wie jeder große
Spediteur, Begünstigungen. Sie muß natürlich unsere Leute so billig
als möglich reisen lassen und verfrachten, da jeder auf eigene
Kosten hinübergeht. Für den Mittelstand wird das System Cook und für
die armen Klassen das Personenporto da sein. Die Company könnte an
Personen- und Frachtrefaktien viel verdienen, aber ihr Grundsatz muß
auch hier sein, nur die Selbsterhaltungskosten hereinzubringen.
Die Spedition ist an vielen Orten in den Händen der Juden. Die
Speditionsgeschäfte werden die ersten sein, die die Company braucht,
und die ersten, die sie liquidiert. Die bisherigen Inhaber dieser
Geschäfte treten entweder in den Dienst der Company, oder sie
etablieren sich frei, drüben. Die Ankunftsstelle braucht ja
empfangende Spediteure, und da dies ein glänzendes Geschäft ist, da
man drüben sofort verdienen darf und soll, wird es nicht an
Unternehmungslustigen fehlen. Es ist unnötig, die geschäftlichen
Einzelheiten dieser Massenexpedition auszuführen. Sie sind aus dem
Zwecke vernünftig zu entwickeln, und viele tüchtige Köpfe sollen und
werden darüber nachdenken, wie das am besten zu machen sein wird.
Einige Tätigkeiten der Company
Viele Tätigkeiten werden ineinander
wirken. Nur ein Beispiel: Allmählich wird die Company in den
anfänglich primitiven Niederlassungen Industriesachen zu erzeugen
beginnen. Zunächst für unsere eigenen armen Auswanderer: Kleider,
Wäsche, Schuhe usw. fabrikmäßig. Denn in den europäischen
Abfahrtsstationen werden unsere armen Leure neu gekleidet. Es wird
ihnen damit kein Geschenk gemacht, weil sie nicht gedemütigt werden
sollen. Es werden ihnen nur ihre alten Sachen gegen neue
eingetauscht. Verliert die Company dabei etwas, so wird es als
Geschäftsverlust gebucht. Die völlig Besitzlosen weren für die
Bekleidung Schuldner der Company und zahlen drüben in
Arbeitsüberstunden, die ihnen für gute Aufführung erlassen werden.
An diesen Punkten haben übrigens die bestehenden
Auswanderungsvereine Gelegenheit, helfend einzugreifen. Alles, was
sie für die wandernden Juden bisher zu tun pflegten, sollen sie
zukünftig für die Kolonisten der Jewish Company tun. Die Formen
dieses Zusammenwirkens werden sich leicht finden lassen. Schon in
der Neubekleidung der armen Auswanderer soll etwas Symbolisches
enthalten sein: Ihr beginnt jetzt ein neues Leben! Die Society of
Jews wird dafür sorgen, daß schon lange vor der Abreise und auch
unterwegs durch Gebete, populäre Vorträge, Belehrungen über den
Zweck des Unternehmens, hygienische Vorschriften für die neuen
Wohnorte, Anleitungen zur künftigen Arbeit eine ernste und festliche
Stimmung erhalten werde. Denn das Gelobte Land ist das Land der
Arbeit. Bei ihrer Ankunft werden aber die Einwanderer von den
Spitzen unserer Behörden feierlich empfangen werden. Ohne törichten
Jubel, denn das Gelobte Land muß erst erobert werden. Aber schon
sollen diese armen Menschen sehen, daß sie zu Hause sind.
Die Bekleidungsindustrie der Company für die armen Auswanderer wird
nicht planlos produzieren. Durch die Society of Jews, welche von den
Ortsgruppen die Mitteilung erhalten wird, muß die Jewish Company
rechtzeitig die Zahl, den Ankunftstag und die Bedürfnisse der
Auswanderer kennen. So ist es möglich, für sie umsichtig
vorzusorgen.
Industrielle Anregungen
Die Aufgaben derJewish Company und der
Society of Jews können in diesem Entwurfe nicht streng gesondert
vorgetragen werden. Tatsächlich werden diese beiden großen Organe
beständig zusammenwirken müssen. Die Company wird auf die moralische
Autorität und Unterstützung der Society angewiesen sein und bleiben,
gleichwie die Society die materielle Hilfe der Company nicht
entbehren kann. In der planvollen Leitung der Bekleidungsindustrie
z. B. ist der schwache Anfang des Versuches enthalten, die
Produktionskrisen zu vermeiden. Auf allen Gebieten, wo die Company
als Industrieller auftritt, soll so vorgegangen werden.
Keineswegs darf sie aber die freien Unternehmungen mit ihrer
Übermacht erdrücken. Wir sind nur dort Kollektivisten, wo es die
ungeheueren Schwierigkeiten der Aufgabe erfordern. Im übrigen wollen
wir das Individuum mit seinen Rechten hegen und pflegen. Das
Privateigentum, als die wirtschaftliche Grundlage der
Unabhängigkeit, soll sich bei uns frei und geachtet entwickeln. Wir
lassen ja gleich unsere ersten Unskilleds ins Privateigentum
aufsteigen.
Der Unternehmungsgeist soll auf jede Weise gefördert werden. Die
Einrichtung von Industrien wird durch eine vernünftige Zollpolitik,
Zuwendung billigen Rohmaterials und durch ein Amt für
Industriestatistik mit öffentlichen Verlautbarungen begünstigt.
Der Unternehmungsgeist kann auf gesunde Weise angeregt werden. Die
spekulative Planlosigkeit wird vermieden. Die Etablierung neuer
Industrien wird rechtzeitig bekanntgemacht, so daß die Unternehmer,
die ein halbes Jahr später auf den Einfall kommen, sich einer
Industrie zuzuwenden, nicht in die Krise, ins Elend hineinbauen. Da
der Zweck einer neuen Anlage der Society angemeldet werden soll,
können die Unternehmungsverhältnisse jederzeit jedermann bekannt
sein.
Ferner werden den Unternehmern die zentralisierten Arbeitskräfte
gewährt. Der Unternehmer wendet sich an die
Dienstvermittlungszentrale, die dafür von ihm nur eine zur
Selbsterhaltung erforderliche Gebühr einhebt. Der Unternehmer
telegraphiert: Ich brauche morgen für drei Tage, drei Wochen oder
drei Monate fünfhundert Unskilleds. Morgen treffen bei seiner
landwirtschaftlichen oder industriellen Unternehmung die gewünschten
Fünfhundert ein, welche die Arbeitszentrale von da und dort, wo sie
eben verfügbar werden, zusammenzieht. Die Sachsengängerei wird da
aus dem Plumpen in eine sinnvolle Institution heeresmäßig
verfeinert. Selbstverständlich werden keine Arbeitssklaven
geliefert, sondern nur Siebenstundentägler, die ihre Organisation
beibehalten, denen auch beim Ortswechsel die Dienstzeit mit Chargen,
Avancieren und Pensionierung fortläuft. Der freie Unternehmer kann
sich auch anderwärts seine Arbeitskräfte verschaffen, wenn er will.
Aber er wird es schwerlich können. Die Hereinziehung nichtjüdischer
Arbeitssklaven ins Land wird die Society zu vereiteln wissen durch
eine gewisse Boykottierung widerspenstiger Industrieller, durch
Verkehrserschwerungen und dergleichen. Man wird also die
Siebenstundentägler nehmen müssen. So nähern wir uns beinahe
zwanglos dem Normaltage von sieben Stunden.
Ansiedlung von Facharbeitern
Es ist klar, daß, was für die
Unskilleds gilt, bei den höheren Facharbeitern noch leichter ist.
Die Teilarbeiter der Fabriken können unter dieselben Regeln gebracht
werden. Die Dienstvermittlungszentrale besorgt sie.
Was nun die selbständigen Handwerker, die kleinen Meister betrifft,
die wir im Hinblick auf die künftigen Fortschritte der Technik sehr
pflegen wollen, denen wir technologische Kenntnisse zuführen wollen,
selbst wenn sie keine jungen Leute mehr sind, und denen die
Pferdekraft der Bäche und das Licht in elektrischen Drähten
zugeleitet werden soll - diese selbständigen Arbeiter sollen auch
durch die Zentrale der Society gesucht und gefunden werden. Hier
wendet sich die Ortsgruppe an die Zentrale: Wir brauchen soundso
viele Tischler, Schlosser, Glaser usw. Die Zentrale verlautbart es.
Die Leute melden sich. Sie ziehen mit ihren Familien nach dem Orte,
wo man sie braucht, und bleiben da wohnen, nicht erdrückt von einer
verworrenen Konkurrenz. Die dauernde, die gute Heimat ist für sie
entstanden.
Die Geldbeschaffung
Als das Aktienkapital der Jewish
Company wurde ein phantastisch klingender Betrag angenommen. Die
wirklich notwendige.Höhe des Aktienkapitals wird von
Finanzfachleuten festgesetzt werden müssen. Jedenfalls eine riesige
Summe. Wie soll diese aufgebracht werden? Dafür gibt es drei Formen,
welche die Society in Erwägung ziehen wird. Die Society, diese große
moralische Person, der Gestor der Juden, besteht aus unseren
reinsten und besten Männern, die aus der Sache keinen
Vermögensgewinn ziehen können und dürfen. Obwohl die Society am
Beginn keine andere als eine moralische Autorität besitzen kann,
wird diese dennoch hinreichen, um die Jewish Company dem Judenvolke
gegenüber zu beglaubigen. Die Jewish Company wird nur dann Aussicht
auf geschäftliches Gelingen haben, wenn sie von der Society
sozusagen gestempelt ist. Es wird sich also nicht eine beliebige
Gruppe von Geldleuten zusammentun können, um die Jewish Company zu
bilden. Die Society wird prüfen, wählen und bestimmen und sich vor
der Gutheißung der Gründung alle nötigen Bürgschaften für die
gewissenhafte Durchführung des Planes sichern lassen. Experimente
mit ungenügenden Kräften dürfen nicht gemacht werden, denn diese
Unternehmung muß gleich auf den ersten Schlag gelingen. Das
Mißlingen der Sache würde die ganze Idee auf Jahrzehnte hinaus
kompromittieren und sie vielleicht für immer unmöglich machen.
Die drei Formen der Aufbringung des Aktienkapitals sind: 1. durch
die Hochbank; 2. durch die Mittelbank; 3. durch eine volkstümliche
Subskription.
Am leichtesten, schnellsten und sichersten wäre die Gründung durch
die Hochbank. Da kann das erforderliche Geld innerhalb der
bestehenden großen Finanzgruppen durch einfache Beratung in
kürzester Zeit aufgebracht werden. Es hätte den großen Vorteil, daß
die Milliarde - um bei diesem einmal angenommenen Betrage zu bleiben
- nicht sofort gänzlich eingezahlt werden müßte. Es hätte den
weiteren Vorteil, daß auch der Kredit dieser mächtigen Finanzgruppen
der Unternehmung zuflösse. In der jüdischen Finanzmacht schlummern
noch sehr viele ungenützte politische Kräfte. Von den Feinden des
Judentums wird diese Finanzmacht als so wirksam dargestellt, wie sie
sein könnte, aber tatsächlich nicht ist. Die armen Juden spüren nur
den Haß, den diese Finanzmacht erregt; den Nutzen, die Linderung
ihrer Leiden, welche bewirkt werden könnte, haben die armen Juden
nicht. Die Kreditpolitik der großen Finanzjuden müßte sich in den
Dienst der Volksidee stellen. Fühlen aber diese mit ihrer Lage ganz
zufriedenen Herren sich nicht bewogen, etwas für ihre Stammesbrüder
zu tun, die man mit Unrecht für die großen Vermögen einzelner
verantwortlich macht, so wird die Verwirklichung dieses Planes
Gelegenheit geben, eine reinliche Scheidung zwischen ihnen und dem
übrigen Teile des Judentums durchzuführen.
Die Hochbank wird übrigens durchaus nicht aufgefordert, einen so
enormen Betrag aus Wohltätigkeit zu beschaffen. Das wäre eine
törichte Zumutung. Die Gründer und Aktionäre der Jewish Company
sollen vielmehr ein gutes Geschäft machen, und sie werden sich im
vorhinein davon Rechenschaft geben können, welche Chancen
bevorstehen. Die Society of Jews wird nämlich im Besitze aller
Belege und Behelfe sein, aus denen sich die Aussichten der Jewish
Company erkennen lassen. Die Society of Jews wird insbesondere den
Umfang der neuen Judenbewegung genau erforscht haben und den
Gründern der Company auf eine vollkommen verläßliche Weise mitteilen
können, mit welcher Beteiligung diese rechnen darf. Durch die
Herstellung der alles umfassenden modernen Judenstatistik wird die
Society für die Company die Arbeiten einer Société d'études
besorgen, wie man diese in Frankreich zu machen pflegt, bevor man an
die Finanzierung eines sehr großen Unternehmens herangeht.
Die Sache wird dennoch vielleicht nicht den kostbaren Beifall der
jüdischen Geldmagnaten finden. Diese werden sogar vielleicht durch
ihre geheimen Knechte und Agenten den Kampf gegen unsere
Judenbewegung einzuleiten versuchen. Einen solchen Kampf werden wir
wie jeden anderen, der uns aufgezwungen wird, mit schonungsloser
Härte führen.
Die Geldmagnaten werden sich vielleicht auch nur begnügen, die Sache
mit einem ablehnenden Lächeln abzutun.
Ist sie damit erledigt?
Nein.
Dann geht die Geldbeschaffung auf die zweite Stufe, an die
mittelreichen Juden. Die jüdische Mittelbank müßte im Namen der
Volksidee gegen die Hochbank zusammengerafft werden zu einer zweiten
formidablen Geldmacht. Das hätte den Übelstand, daß zunächst nur ein
Geldgeschäft daraus würde, denn die Milliarde müßte voll eingezahlt
werden - sonst darf man nicht anfangen -, und da dies Geld erst
langsam in Verwendung trete, so würde man in den ersten Jahren
allerlei Bank- und Anleihegeschäfte machen. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß so allmählich der ursprüngliche Zweck in
Vergessenheit geriete, die mittelreichen Juden hätten ein neues
großes Geschäft gefunden, und die Judenwanderung würde versumpfen.
Phantastisch ist die Idee dieser Geldbeschaffung durchaus nicht, das
weiß man. Verschiedene Male wurde ja versucht, das katholische Geld
gegen die Hochbank zusammenzuraffen. Daß man sie auch mit jüdischem
bekämpfen könne, hat man bisher nicht bedacht.
Aber welche Krisen hätte das alles zur Folge. Wie würden die Länder,
wo solche Geldkämpfe spielten, geschädigt werden, wie müßte der
Antisemitismus dabei überhandnehmen.
Mir ist das also nicht sympathisch, ich erwähne es nur, weil es in
der logischen Entwicklung des Gedankens liegt.
Ob die Mittelbanken die Sache aufgreifen werden, weiß ich auch
nicht.
Jedenfalls ist die Sache auch mit der Ablehnung der Mittelreichen
nicht erledigt. Dann beginnt sie vielmehr erst recht.
Denn die Society of Jews, die nicht aus Geschäftsleuten besteht,
kann dann die Gründung der Company als eine volkstümliche versuchen.
Das Aktienkapital der Company kann ohne Vermittlung eines Hochbank-
oder Mittelbanksyndikates durch unmittelbare Ausschreibung einer
Subskription aufgebracht werden. Nicht nur die armen kleinen Juden,
sondern auch die Christen, welche die Juden loshaben wollen, werden
sich an dieser in ganz kleine Teile zerlegten Geldbeschaffung
beteiligen. Es wäre eine eigentümliche und neue Form des
Plebiszites, wobei jeder, der sich für diese Lösungsform der
Judenfrage aussprechen will, seine Meinung durch eine bedingte
Subskription äußern könnte. In der Bedingung liegt die gute
Sicherheit. Die Vollzahlung wäre nur zu leisten, wenn der ganze
Betrag gezeichnet ist, sonst würde die Anzahlung zurückgegeben. Ist
aber der ganze nötige Betrag durch die volkstümliche Auflage in der
ganzen Welt gedeckt, dann ist jeder einzelne kleine Betrag gesichert
durch die unzähligen anderen kleinen Beträge.
Es wäre dazu natürlich die ausdrückliche, entschiedene Hilfe der
beteiligten Regierungen nötig.
Die Verpflanzung
Bisher wurde nur gezeigt, wie die
Auswanderung ohne wirtschaftliche Erschütterung durchzuführen ist.
Aber bei einer solchen Auswanderung gibt es auch viele starke, tiefe
Gemütsbewegungen. Es gibt alte Gewohnheiten, Erinnerungen, mit denen
wir Menschen an den Orten haften. Wir haben Wiegen, wir haben
Gräber, und man weiß, was dem jüdischen Herzen die Gräber sind. Die
Wiegen nehmen wir mit - in ihnen schlummert rosig und lächelnd
unsere Zukunft. Unsere teuren Gräber müssen wir zurücklassen - ich
glaube, von denen werden wir habsüchtiges Volk uns am schwersten
trennen. Aber es muß sein.
Schon entfernt uns die wirtschaftliche Not, der politische Druck,
der gesellschaftliche Haß aus unseren Wohnorten und von unseren
Gräbern. Die Juden ziehen schon jetzt jeden Augenblick aus einem
Land ins andere; eine starke Bewegung geht sogar übers Meer nach den
Vereinigten Staaten - wo man uns auch nicht mag. Wo wird man uns
denn mögen, solange wir keine eigene Heimat haben?
Wir wollen aber den Juden eine Heimat geben. Nicht, indem wir sie
gewaltsam aus ihrem Erdreich herausreißen. Nein, indem wir sie mit
ihrem ganzen Wurzelwerk vorsichtig ausheben und in einen besseren
Boden übersetzen. So wie wir im Wirtschaftlichen und Politischen
neue Verhältnisse schaffen wollen, so gedenken wir im Gemütlichen
alles Alte heiligzuhalten. Darüber nur wenige Andeutungen. Hier ist
die Gefahr am größten, daß der Plan für eine Schwärmerei gehalten
werde.
Und doch ist auch das möglich und wirklich, nur kommt es in der
Wirklichkeit als etwas Verworrenes und Hilfloses vor. Durch die
Organisierung kann es vernünftig werden.
Die Gruppenwanderung
Unsere Leute sollen in Gruppen
miteinander auswandern. In Gruppen von Familien und Freunden.
Niemand wird gezwungen, sich der Gruppe seines bisherigen Wohnortes
anzuschließen. Jeder kann, nachdem er seine Angelegenheiten
liquidiert hat, fahren, wie er will. Jeder tut es ja auf eigene
Kosten, in der Bahn- und Schiffsklasse, die ihm zusagt. Unsere
Bahnzüge und unsere Schiffe werden vielleicht nur eine Klasse haben.
Der Unterschied des Besitzes belästigt auf so langen Reisen die
Ärmeren. Und wenn wir auch unsere Leute nicht zu einer Unterhaltung
hinüberführen, wollen wir ihnen doch nicht unterwegs die Laune
verderben.
Im Elend wird keiner reisen. Dem eleganten Behagen hingegen soll
alles möglich sein. Man wird sich schon lange vorher verabreden - es
wird ja im günstigsten Falle noch Jahre dauern, bis die Bewegung in
einzelnen Besitzklassen in Fluß kommt -, die Wohlhabenden werden zu
Reisegesellschaften zusammentreten. Man nimmt die persönlichen
Beziehungen sämtlich mit. Wir wissen ja, daß, von den Reichsten
abgesehen, die Juden fast gar keinen Verkehr mit Christen haben. In
manchen Ländern ist es so, daß der Jude, der sich nicht ein paar
Tafelschmarotzer, Borgbrüder und Judenknechte aushält, überhaupt
keinen Christen kennt. Das Ghetto besteht innerlich fort.
Man wird sich also in den Mittelständen lange und sorgfältig zur
Abreise vorbereiten. Jeder Ort bildet seine Gruppe. In den großen
Städten bilden sich nach Bezirken mehrere, die miteinander durch
gewählte Vertreter verkehren.
Diese Bezirkseinteilung hat nichts Obligatorisches. Sie ist
eigentlich nur als Erleichterung für die Minderbemittelten gedacht
und um während der Fahrt kein Unbehagen, kein Heimweh aufkommen zu
lassen. Jeder ist frei, allein zu fahren oder sich welcher
Ortsgruppe immer anzuschließen. Die Bedingungen - nach Klassen
eingeteilt - sind für alle gleich. Wenn eine Reisegesellschaft sich
zahlreich genug organisiert, bekommt sie von der Company einen
ganzen Bahnzug und dann ein ganzes Schiff.
Für die passende Unterkunft der Ärmeren wird das Quartieramt der
Company gesorgt haben. In dem späteren Zeitpunkt, wo die
Wohlhabenden wandern, wird das erkannte, weil leicht vorauszusehende
Bedürfnis schon die Hotelbauten freier Unternehmer hervorgerufen
haben. Auch werden ja die wohlhabenden Auswanderer sich ihre
Heimstätten schon früher gebaut haben, so daß sie aus dem
verlassenen alten Hause in das fertige neue nur zu übersiedeln
brauchen.
Unserer ganzen Intelligenz brauchen wir ihre Aufgabe nicht erst
zuzuweisen. Jeder, der sich dem nationalen Gedanken anschließt, wird
wissen, wie er in seinem Kreise für die Verbreitung und Betätigung
zu wirken hat. Wir werden vornehmlich an die Mitwirkung unserer
Seelsorger appellieren.
Unsere Seelsorger
Jede Gruppe hat ihren Rabbiner, der
mit seiner Gemeinde geht. Alle gruppieren sich zwanglos. Die
Ortsgruppe bildet sich um den Rabbiner herum. So viele Rabbiner, so
viele Ortsgruppen. Die Rabbiner werden uns auch zuerst verstehen,
sich zuerst für die Sache begeistern und von der Kanzel herab die
anderen begeistern. Es brauchen keine besonderen Versammlungen mit
Geschwätz einberufen zu werden. Im Gottesdienste wird das
eingeschaltet. Und so soll es sein. Wir erkennen unsere historische
Zusammengehörigkeit nur am Glauben unserer Väter, weil wir ja längst
die Sprachen verschiedener Nationen unverlöschbar in uns aufgenommen
haben.
Die Rabbiner werden nun regelmäßig die Mitteilungen der Society und
Company erhalten und sie ihrer Gemeinde verkünden und erklären.
Israel wird für uns, für sich beten.
Vertrauensmänner der Ortsgruppen
Die Ortsgruppen werden kleine
Vertrauensmännerkommissionen unter dem Vorsitz des Rabbiners
einsetzen. Hier wird alles Praktische nach den Ortsbedürfnissen
beraten und festgesetzt werden. Die Wohltätigkeitsanstalten werden
durch die Ortsgruppen frei verpflanzt. Die Stiftungen werden auch
drüben in der ehemaligen Ortsgruppe verbleiben, die Gebäude sollten
nach meiner Ansicht nicht verkauft, sondern den christlichen
Hilfsbedürftigen der verlassenen Städte gewidmet werden. Bei der
Landverteilung drüben wird das den Ortsgruppen eingerechnet, indem
sie unentgeltlich Bauplätze und jede Bauerleichterung erhalten.
Es wird bei der Verpflanzung der Wohltätigkeitsanstalten wieder, wie
an manchen anderell Punkten dieses Planes, Gelegenheit geboten,
einen Versuch zum Wohle der ganzen Menschheit zu machen. Unsere
jetzige verworrene Privatwohltätigkeit stiftet im Verhältnis zum
gemachten Aufwand wenig Gutes. Die Wohltätigkeitsanstalten können
und müssen in ein System gebracht werden, wo sie sich gegenseitig
ergänzen. In einer neuen Gesellschaft können diese Einrichtungen aus
dem modernen Bewußtsein heraus und auf Grund aller sozialpolitischen
Erfahrungen gemacht werden. Die Sache ist für uns sehr wichtig, weil
wir viele Bettler haben. Durch den äußeren Druck, der sie mutlos
macht, und durch die weichliche Wohltätigkeit der Reichen, die sie
verwöhnt, lassen sich die schwächeren Naturen unter unseren Leuten
leicht im Bettel gehen.
Die Society wird, unterstützt von den Ortsgruppen, der
Volkserziehung in dieser Hinsicht die größte Aufmerksamkeit
zuwenden. Für viele Kräfte, die jetzt nutzlos hinwelken, wird ja ein
fruchtbarer Boden geschaffen. Wer nur den guten Willen hat, soll
angemessen verwendet werden. Bettler werden nicht geduldet. Wer als
Freier nichts tun will, kommt ins Arbeitshaus.
Hingegen wollen wir die Alten nicht ins Siechenhaus stecken. Das
Siechenhaus ist eine der grausamsten Wohltaten, die unsere alberne
Gutmütigkeit erfunden hat. Im Siechenhaus schämt und kränkt sich der
alte Mensch zu Tode. Er ist eigentlich schon begraben. Wir aber
wollen selbst denen, die auf den untersten Stufen der Intelligenz
stehen, bis ans Ende die tröstliche Illusion ihrer Nützlichkeit
lassen. Die zu körperlicher Arbeit Unfähigen sollen leichte Dienste
erhalten. Wir müssen mit den atrophierten Armen einer jetzt schon
hinwelkenden Generation rechnen. Aber die nachkommenden Generationen
sollen in der Freiheit für die Freiheit anders erzogen werden.
Wir werden für alle Lebensalter, für alle Lebensstufen die sittliche
Beseligung der Arbeit suchen. So wird unser Volk seine Tüchtigkeit
wiederfinden im Siebenstundenlande.
Stadtpläne
Die Ortsgruppen werden ihre
Bevollmächtigten zur Ortswahl delegieren. Bei der Landverteilung
wird darauf Rücksicht genommen werden, daß die schonende
Verpflanzung, die Erhaltung alles Berechtigten möglich sei.
In den Ortsgruppen werden die Stadtpläne aufliegen. Unsere Leute
werden im vorhinein wissen, wohin sie gehen, in welchen Städten, in
welchen Häusern sie wohnen werden. Es wurde schon von den Bauplänen
und verständlichen Abbildungen gesprochen, die an die Ortsgruppen zu
verteilen sind.
Wie in der Verwaltung eine straffe Zentralisierung, ist in den
Ortsgruppen die vollste Autonomie das Prinzip. Nur so kann die
Verpflanzung schmerzlos vor sich gehen.
Ich stelle mir das nicht leichter vor, als es ist; man darf es sich
auch nicht schwerer vorstellen.
Der Zug des Mittelstandes
Der Mittelstand wird unwillkürlich von
der Bewegung mit hinübergezogen. Die einen haben ihre Söhne als
Beamte der Society oder Angestellte der Company drüben. Juristen,
Mediziner, Techniker aller Zweige, junge Kaufleute, alle jüdischen
Wegsucher, die jetzt aus der Bedrängnis ihrer Vaterländer hinaus in
andere Weltteile erwerben gehen, werden sich auf dem hoffnungsvollen
Boden versammeln. Andere haben ihre Töchter an solche aufstrebenden
Leute verheiratet. Dann läßt sich von unseren jungen Leuten der eine
seine Braut, der andere seine Eltern und Geschwister nachkommen. In
neuen Kulturen heiratet man früh. Das kann der allgemeinen
Sittlichkeit nur zustatten kommen, und wir erhalten kräftigen
Nachwuchs; nicht jene schwachen Kinder spätverheirateter Väter, die
zuerst ihre Energie im Lebenskampf abgenutzt haben.
Im Mittelstande zieht jeder unserer Auswanderer andere nach sich.
Den Mutigstan gehört natürlich das Beste von der neuen Welt. Es
scheint nun freilich, als wäre hier die größte Schwierigkeit des
Planes. Selbst wenn es uns gelingt, die Judenfrage in einer ernsten
Weise zur Weltdiskussion zu stellen - selbst wenn aus dieser
Erörterung auf das bestimmteste hervorgeht, daß der Judenstaat ein
Weltbedürfnis ist - selbst wenn wir durch die Unterstützung der
Mächte die Souveränität eines Territoriums erlangten: wie bringen
wir die Judenmassen ohne Zwang aus ihren jetzigen Wohnorten in
dieses neue Land? Die Wanderung ist doch immer als eine freie
gedacht?
Das Phänomen der Menge
Ein mühsames Anfachen der Bewegung
wird wohl kaum nötig sein. Die Antisemiten besorgen das schon für
uns. Sie brauchen nur soviel zu tun wie bisher, und die
Auswanderlust der Juden wird erwachen, wo sie nicht besteht, und
sich verstärken, wo sie schon vorhanden ist. Wenn die Juden jetzt in
antisemitischen Ländern verbleiben, so geschieht das hauptsächlich
aus dem Grunde, weil selbst die historisch Ungebildeten wissen, daß
wir uns durch die zahlreichen Ortswechsel in den Jahrhunderten nie
dauernd geholfen haben. Gäbe es heute ein Land, wo man die Juden
willkommen hieße und ihnen auch viel weniger Vorteile böte, als im
Judenstaate, wenn er entsteht, gesichert sind, so fände
augenblicklich ein starker Zug von Juden dahin statt. Die Ärmsten,
die nichts zu verlieren haben, würden sich hinschleppen. Ich
behaupte aber, und jeder wird ja bei sich wissen, ob es wahr ist,
daß die Auswanderlust wegen des Druckes, der auf uns lastet, bei uns
selbst in wohlhabenden Schichten vorhanden ist. Nun würden ja schon
die Ärmsten zur Gründung des Staates genügen, ja sie sind das
tüchtigste Menschenmaterial für eine Landnahme, weil man zu großen
Unternehmungen ein bißchen Verzweiflung in sich haben muß. Aber
indem unsere Desperados durch ihr Erscheinen, durch ihre Arbeit den
Wert des Landes heben, machen sie allmählich auch für
Besitzkräftigere die Verlockung entstehen, nachzuziehen.
Immer höhere Schichten werden ein Interesse bekommen hinüberzugehen.
Den Zug der ersten, Ärmsten, werden ja Society und Company gemeinsam
leiten und dabei doch wohl die Unterstützung der schon bestehenden
Auswanderungs- und Zionsvereine finden.
Wie läßt sich eine Menge ohne Befehl nach einem Punkte hin
dirigieren?
Es gibt einzelne jüdische Wohltäter in großem Stile, welche die
Leiden der Juden durch zionistische Versuche mildern wollen. Solche
Wohltäter mußten sich schon mit dieser Frage beschäftigen, und sie
glaubten, sie zu lösen, wenn sie den Auswanderern Geld oder
Arbeitsmittel in die Hand gaben. Der Wohltäter sagte also: «Ich
zahle den Leuten, damit sie hingehen.» Das ist grundfalsch und mit
allem Gelde der Erde nicht zu erschwingen.
Die Company wird im Gegenteil sagen: «Wir zahlen ihnen nicht, wir
lassen sie zahlen. Nur setzen wir ihnen etwas vor.»
Ich will das an einem scherzhaften Beispiel anschaulich machen.
Einer dieser Wohltäter, den wir den Baron nennen wollen, und ich
möchten eine Menschenmenge an einem heißen Sonntagnachmittag auf der
Ebene von Longchamp bei Paris haben. Der Baron wird, wenn er jedem
einzelnen 10 Francs verspricht, für 200000 Francs 20000 schwitzende,
unglückliche Leute hinausbringen, die ihm fluchen werden, weil er
ihnen diese Plage auferlegte.
Ich hingegen werde diese 200000 Francs als Rennpreis aussetzen für
das schnellste Pferd - und dann lasse ich die Leute durch Schranken
von Longchamp abhalten. Wer hinein will, muß zahlen: 1 Franc, 5
Francs, 20 Francs.
Die Folge ist, daß ich eine halbe Million Menschen hinausbekomme,
der Präsident der Republik fährt à la Daumont vor, die Menge erfreut
und belustigt sich an sich selbst. Es ist für die meisten trotz
Sonnenbrand und Staub eine glückliche Bewegung im Freien, und ich
habe für die 200000 Francs eine Million an Eintrittsgeldern und
Spielsteuern eingenommen. Ich werde dieselben Leute, wann ich will,
wieder dort haben; der Baron nicht - der Baron um keinen Preis.
Ich will das Phänomen der Menge übrigens gleich ernster beim
Broterwerbe zeigen. Man versuche es einmal, in den Straßen einer
Stadt ausrufen zu lassen: «Wer in einer nach allen Seiten
freistehenden, eisernen Halle im Winter bei schrecklicher Kälte, im
Sommer bei quälender Hitze den ganzen Tag auf seinen Beinen stehen,
jeden Vorübergehenden anreden und ihm Trödelkram oder Fische oder
Obst anbieten wird, bekommt 2 fl. oder 4 Francs oder was sie
wollen.»
Wieviel Leute bekommt man wohl da hin? Wenn sie der Hunger
hintreibt, wieviel Tage halten sie aus? Wenn sie aushalten, mit
welchem Eifer werden sie wohl die Vorübergehenden zum Kaufe von
Obst, Fischen oder Trödelkram zu bestimmen versuchen?
Wir machen es anders. An den Punkten, wo ein großer Verkehr besteht,
und diese Punkte können wir um so leichter finden, als wir selbst ja
den Verkehr leiten, wohin wir wollen, an diesen Punkte errichten wir
große Hallen und nennen sie: Märkte. Wir könnten die Hallen
schlechter, gesundheitswidriger bauen als jene, und doch würden uns
die Leute hinströmen. Aber wir werden sie schöner und besser, mit
unserem ganzen Wohlwollen bauen. Und diese Leute, denen wir nichts
versprochen haben, weil wir ihnen, ohne Betrüger zu sein, nichts
versprechen können, diese braven, geschäftslustigen Leute werden
unter Scherzen einen lebhaften Marktverkehr hervorbringen. Sie
werden unermüdlich die Käufer harangieren, sie werden auf ihren
Beinen dastehen und die Müdigkeit kaum bemerken. Sie werden nicht
nur Tag um Tag herbeieilen, um die ersten zu sein, sie werden sogar
Verbände, Kartelle, alles mögliche schließen, um nur dieses
Erwerbsleben ungestört führen zu können. Und wenn sich auch am
Feierabend herausstellt, daß sie mit all der braven Arbeit nur 1 f.
50 kr. oder 3 Francs oder was sie wollen verdient haben, werden sie
doch mit Hoffnung in den nächsten Tag blicken, der vielleicht besser
sein wird.
Wir haben ihnen die Hoffnung geschenkt.
Will man wissen, wo wir die Bedürfnisse hernehmen, die wir für die
Märkte brauchen? Muß das wirklich noch gesagt werden?
Ich zeigte früher, daß durch die Assistance par le travail der
fünfzehnfache Verdienst erzeugt wird. Für eine Million fünfzehn
Millionen, für eine Milliarde fünfzehn Milliarden.
Ja, ob dies im großen auch so richtig ist wie im kleinen? Der Ertrag
des Kapitals hat doch in der Höhe eine abnehmende Progression? Ja,
des schlafenden, feige verkrochenen Kapitals, nicht der des
arbeitenden. Das arbeitende Kapital hat sogar in der Höhe eine
furchtbar zunehmende Ertragskraft. Da steckt ja die soziale Frage.
Ob das richtig ist, was ich sage? Ich rufe dafür die reichsten Juden
als Zeugen auf. Warum betreiben diese so viele verschiedene
Industrien? Warum schicken sie Leute unter die Erde, um für mageren
Lohn unter entsetzlichen Gefahren Kohle heraufzuschaffen? Ich denke
mir das nicht angenehm, auch nicht für die Grubenbesitzer. Ich
glaube ja nicht an die Herzlosigkeit der Kapitalisten und stelle
mich nicht, als ob ich es glaubte. Ich will ja nicht hetzen, sondern
versöhnen.
Brauche ich das Phänomen der Menge und wie man sie nach beliebigen
Punkten zieht auch noch an den frommen Wanderungen zu erklären?
Ich möchte niemandes heilige Empfindungen durch Worte verletzen, die
falsch ausgelegt werden könnten.
Nur kurz deute ich an, was in der mohammedanischen Welt der Zug der
Pilger nach Mekka ist, in der katholischen Welt Lourdes und so
zahllose andere Punkte, von wo Menschen durch ihren Glauben
getröstet heimkehren, und der heilige Rock zu Trier. So werden auch
wir dem tiefen Glaubensbedürfnisse unserer Leute Zielpunkte
errichten. Unsere Geistlichen werden uns ja zuerst verstehen und mit
uns gehen.
Wir wollen drüben jeden nach seiner Fasson selig werden lassen. Auch
und vor allem unsere teuren Freidenker, unser unsterbliches Heer,
das für die Menschheit immer neue Gebiete erobert.
Auf niemanden soll ein anderer Zwang ausgeübt werden als der zur
Erhaltung des Staates und der Ordnung nötige. Und dieses Nötige wird
nicht von der Willkür einer oder mehrerer Personen wechselnd
bestimmt sein, sondern in ehernen Gesetzen ruhen. Will man nun
gerade aus den von mir gewählten Beispielen folgern, daß die Menge
nur vorübergehend nach solchen Zielpunkten des Glaubens, des
Erwerbes oder des Vergnügens gezogen werden kann, so ist die
Widerlegung dieses Einwurfs einfach. Ein solcher Zeitpunkt vermag
die Massen nur anzulocken. Alle diese Anziehungspunkte zusammen sind
geeignet, sie festzuhalten und dauernd zu befriedigen. Denn diese
Anziehungspunkte bilden zusammengenommen eine große Einheit, eine
langgesuchte, nach der unser Volk nie aufgehört hat, sich zu sehnen;
für die es sich erhalten hat, für die es durch den Druck erhalten
worden ist: die freie Heimat! Wenn die Bewegung entsteht, werden wir
die einen nachziehen, die anderen uns nachfließen lassen, die
dritten werden mitgerissen, und die vierten wird man uns
nachdrängen.
Diese, die zögernden späten Nachzügler, werden hüben und drüben am
schlechtesten daran sein.
Aber die ersten, die gläubig, begeistert und tapfer hinübergehen,
werden die besten Plätze haben.
Unser Menschenmaterial
Über kein Volk sind so viel Irrtümer
verbreitet wie über die Juden. Und wir sind durch unsere
geschichtlichen Leiden so gedrückt und mutlos geworden, daß wir
diese Irrtümer selbst nachsprechen und nachglauben. Eine der
falschen Behauptungen ist die unmäßige Handelslust der Juden. Nun
ist es bekannt, daß wir dort, wo wir aufsteigende Klassenbewegung
mitmachen können, uns eilig vom Handel entfernen. Weitaus die
meisten jüdischen Kaufleute lassen ihre Söhne studieren. Daher kommt
ja die sogenannte Verjudung aller gebildeten Berufe. Aber auch in
den wirtschaftlich schwächeren Schichten ist unsere Handelslust
keineswegs so groß, wie angenommen wird. In den östlichen Ländern
Europas gibt es große Massen von Juden, die keine Handeltreibenden
sind und vor schweren Arbeiten nicht zurückschrecken. Die Society of
Jews wird in der Lage sein, eine wissenschaftlich genaue Statistik
unserer Menschenkräfte vorzubereiten. Die neuen Aufgaben und
Aussichten, die unsere Leute im neuen Lande erwarten werden die
jetzigen Handarbeiter befriedigen und viele der jetzigen kleinen
Händler zu Handarbeitern machen.
Ein Hausierer, der mit dem schweren Pack auf dem Rücken über Land
geht, fühlt sich nicht so glücklich, wie seine Verfolger glauben.
Mit dem Siebenstundentage sind alle diese Leute zu Arbeitern zu
machen. Es sind so brave, verkannte Leute und leiden jetzt
vielleicht am schwersten. Übrigens wird sich die Society of Jews von
Anfang an mit ihrer Erziehung zu Arbeitern beschäftigen. Die
Erwerbslust wird auf eine gesunde Weise anzuregen sein. Der Jude ist
sparsam, findig und erfüllt vom stärksten Familiensinn. Solche
Menschen eignen sich zu jeder Erwerbstätigkeit, und es wird genügen,
den Kleinhandel zu einem unergiebigen zu machen, um selbst die
jetzigen Hausierer davon abzubringen. Hierzu würde beispielsweise
die Begünstigung großer Kauflhäuser, in denen man alles findet,
dienen. Diese Universalkauflhäuser erdrücken schon jetzt in den
Großstädten den kleinen Handel. In einer neuen Kultur würden sie
sein Entstehen geradezu verhindern. Ihre Einrichtung hätte
gleichzeitig den Vorteil, das Land auch für Menschen mit
vorgeschrittenen Bedürfnissen sofort bewohnbar zu machen.
Kleine Gewohnheiten
Verträgt es sich mit dem Ernste dieser
Schrift, daß ich, wenn auch nur flüchtig, von den kleinen
Gewohnheiten und Bequemlichkeiten des Alltagsmenschen spreche?
Ich glaube, ja. Es ist sogar sehr wichtig. Denn diese kleinen
Gewohnheiten sind wie tausend Zwirnsfäden, von denen jeder einzelne
dünn und schwach ist - zusammen sind sie ein unzerreißbares Seil.
Auch auf diesem Punkte muß man sich von beschränkten Vorstellungen
freimachen. Wer etwas von der Welt gesehen hat, der weiß, daß gerade
die kleinen Alltagsgewohnheiten schon jetzt mit Leichtigkeit
überallhin verpflanzt werden. Ja, die technischen Errungenschaften
unserer Zeit, welche dieser Plan für die Menschlichkeit verwenden
möchte, sind bisher hauptsächlich für die kleinen Gewohnheiten
verwendet worden. Es gibt englische Hotels in Ägypten und auf den
Berggipfeln der Schweiz, Wiener Cafes in Südafrika, französische
Theater in Rußland, deutsche Opern in Amerika und das beste
bayrische Bier in Paris.
Wenn wir noch einmal aus Mizraim wandern, werden wir die
Fleischtöpfe nicht vergessen.
In jeder Ortsgruppe kann und wird jeder seine kleinen Gewohnheiten
wiederfinden, nur besser, schöner, angenehmer.
Negotiorum Gestio
Diese Schrift ist nicht für
Fachjuristen berechnet; darum kann ich meine Theorie vom
Rechtsgrunde des Staates auch nur flüchtig andeuten, wie vieles
andere.
Dennoch muß ich einiges Gewicht auf meine neue Theorie legen, die
sich wohl selbst in einer rechtsgelehrten Diskussion wird halten
lassen.
Rousseaus heute schon veraltete Auffassung wollte dem Staat einen
Gesellschaftsvertrag zugrunde legen. Rousseau meint: «Die Klauseln
dieses Vertrages sind durch die Natur der Verhandlung so bestimmt,
daß die geringste Abänderung sie nichtig und wirkungslos machen
müßte. Die Folge davon ist, daß sie, wenn sie auch vielleicht nie
ausdrücklich ausgesprochen wären, doch überall gleich, überall
stillschweigend angenommen und anerkannt sind usw.»
Die logische und geschichtliche Widerlegung von Rousseaus Theorie
war und ist nicht schwer, wie furchtbar und fruchtbar diese Theorie
auch gewirkt habe. Für die modernen Verfassungsstaaten ist die
Frage, ob vor der Konstitution schon ein Gesellschaftsvertrag mit
«nicht ausdrücklich ausgesprochenen, aber unabänderlichen Klauseln»
bestanden habe, ohne praktisches Interesse. Jetzt ist das
Rechtsverhältnis zwischen Regierung und Bürgern jedenfalls
festgesetzt.
Aber vor der Einrichtung einer Verfassung und beim Entstehen eines
neuen Staates sind diese Grundsätze auch praktisch wichtig. Daß neue
Staaten noch immer entstehen können, wissen wir ja, sehen wir ja.
Kolonien fallen vom Mutterlande ab, Vasallen reißen sich vom Suzerän
los, neu erschlossene Territorien werden gleich als freie Staaten
gegründet. Der Judenstaat ist allerdings als eine ganz eigentümliche
Neubildung auf noch unbestimmtem Territorium gedacht. Aber nicht die
Länderstrecken sind der Staat, sondern die durch eine Souveränität
zusammengefaßten Menschen sind es.
Das Volk ist die persönliche, das Land die dingliche Grundlage des
Staates. Und von diesen beiden Grundlagen ist die persönliche die
wichtigere. Es gibt zum Beispiel eine Souveränität ohne dingliche
Grundlage, und sie ist sogar die geachtetste der Erde: Es ist die
Souveränität des Papstes.
In der Wissenschaft vom Staate herrscht gegenwärtig die Theorie der
Vernunftnotwendigkeit. Diese Theorie reicht aus, um die Entstehung
des Staates zu rechtfertigen, und sie kann nicht geschichtlich
widerlegt werden wie die Vertragstheorie. Soweit es sich um die
Entstehung des Judenstaates handelt, befinde ich mich in dieser
Schrift vollkommen auf dem Boden der Vernunftnotwendigkeitstheorie.
Diese weicht aber dem Rechtsgrunde des Staates aus. Der modernen
Anschauung entsprechen die Theorie der göttlichen Stiftung, die der
Übermacht, die Patriarchal-, Patrimonial- und Vertragstheorie nicht.
Der Rechtsgrund des Staates wird bald zu sehr in den Menschen
(Übermachts-, Patriarchal- und Vertragstheorie), bald rein über den
Menschen (göttliche Stiftung), bald unter den Menschen (dingliche
Patrimonialtheorie) gesucht. Die Vernunftnotwendigkeit läßt die
Frage bequem oder vorsichtig unbeantwortet. Eine Frage, mit der sich
die größten Rechtsphilosophen aller Zeiten so tief beschäftigt
haben, kann jedoch nicht ganz müßig sein. Tatsächlich liegt im Staat
eine Mischung von Menschlichem und Übermenschlichem vor. Für das
zuweilen drückende Verhältnis, in welchem die Regierten zu den
Regierenden stehen, ist ein Rechtsgrund unerläßlich. Ich glaube, er
kann in der negotiorum gestio gefunden werden. Wobei man sich die
Gesamtheit der Bürger dominus negotiorum und die Regierung als den
Gestor zu denken hat.
Der wunderbare Rechtssinn der Römer hat in der negotiorum gestio ein
edles Meisterwerk geschaffen. Wenn das Gut eines Behinderten in
Gefahr ist, darf jeder hinzutreten und es retten. Das ist der Gestor,
der Führer fremder Geschäfte. Er hat keinen Auftrag, das heißt
keinen menschlichen Auftrag. Sein Auftrag ist ihm von einer höheren
Notwendigkeit erteilt. Diese höhere Notwendigkeit kann für den Staat
auf verschiedene Weise formuliert werden und wird auch auf den
einzelnen Kulturstufen dem jeweiligen allgemeinen Begriffsvermögen
entsprechend verschiedenartig formuliert. Gerichtet ist die Gestio
auf das Wohl des Dominus, des Volkes, zu dem ja auch der Gestor
selbst gehört.
Der Gestor, verwaltet ein Gut, dessen Miteigentümer er ist. Aus
seinem Miteigentum schöpft er wohl die Kenntnis des Notstandes, der
das Eingreifen, die Führung in Krieg und Frieden erfordert; aber
keineswegs gibt er sich als Miteigentümer selbst einen gültigen
Auftrag. Er kann die Zustimmung der unzähligen Miteigentümer im
günstigsten Falle nur vermuten.
Der Staat entsteht durch den Daseinskampf eines Volkes. In diesem
Kampfe ist es nicht möglich, erst auf umständliche Weise einen
ordentlichen Auftrag einzuholen. Ja, es würde jede Unternehmung für
die Gesamtheit von vornherein scheitern, wenn man zuvor einen
regelrechten Mehrheitsbeschluß erzielen wollte. Die innere Parteiung
würde das Volk gegen den äußeren Notstand wehrlos machen. Alle Köpfe
sind nicht unter einen Hut zu bringen, wie man gewöhnlich sagt.
Darum setzt der Gestor einfach den Hut auf und geht voran.
Der Staatsgestor ist genügend legitimiert, wenn die allgemeine Sache
in Gefahr und der Dominus durch Willensunfähigkeit oder auf andere
Art verhindert ist, sich selbst zu helfen.
Aber durch sein Eingreifen wird der Gestor dem Dominus ähnlich wie
aus einem Vertrage, quasi ex contractu, verpflichtet. Das ist das
vorbestandene, oder richtiger: mitentstehende, Rechtsverhältnis im
Staate.
Der Gestor muß dann für jede Fahrlässigkeit haften, auch wegen
verschuldeter Nichtvollendung der einmal übernommenen Geschäfte und
Versäumung dessen, was damit im wesentlichen Zusammenhange steht
usw. Ich will die negotiorum gestio hier nicht weiter ausführen und
auf den Staat übertragen. Das würde uns zu weit vom eigentlichen
Gegenstande ablenken. Nur das eine sei noch angeführt: «Durch
Genehmigung wird die Geschäftsführung für den Geschäftsherrn in
gleicher Art wirksam, als wenn sie ursprünglich seinem Auftrag gemäß
geschehen wäre.»
Und was bedeutet das alles in unserem Falle?
Das Judenvolk ist gegenwärtig durch die Diaspora verhindert, seine
politischen Geschäfte selbst zu führen. Dabei ist es auf
verschiedenen Punkten in schwerer oder leichterer Bedrängnis. Es
braucht vor allem einen Gestor.
Dieser Gestor darf nun freilich nicht ein einzelnes Individuum sein.
Ein solches wäre lächerlich oder weil es auf seinem eigenen Vorteil
auszugehen schiene - verächtlich.
Der Gestor der Juden muß in jedem Sinne des Wortes eine moralische
Person sein.
Und das ist die Society of Jews.
Der Gestor der Juden
Dieses Organ der Volksbewegung, dessen
Art und Aufgaben wir erst jetzt erörtern, wird tatsächlich vor allem
anderen entstehen. Die Entstehung ist eine überaus einfache. Aus dem
Kreise der wackeren englischen Juden, denen ich in London den Plan
mitteilte, wird sich diese moralische Person bilden. Die Society of
Jews ist die Zentralstelle der beginnenden Judenbewegung.
Die Society hat wissenschaftliche und politische Aufgaben. Die
Gründung des Judenstaates, wie ich mir sie denke, hat moderne,
wissenschaftliche Voraussetzungen. Wenn wir heute aus Mizraim
wandern, kann es nicht in der naiven Weise der alten Zeit geschehen.
Wir werden uns vorher anders Rechenschaft geben von unserer Zahl und
Kraft. Die Society of Jews ist der neue Moses der Juden. Die
Unternehmung des alten großen Gestors der Juden in den einfachen
Zeiten verhält sich zur unserigen wie ein wunderschönes, altes
Singspiel zu einer modernen Oper. Wir spielen dieselbe Melodie mit
viel, viel mehr Violinen, Flöten, Harfen, Knie- und Baßgeigen,
elektrischem Licht, Dekorationen, Chören, herrlicher Ausstattung und
mit den ersten Sängern.
Diese Schrift soll die allgemeine Diskussion über die Judenfrage
eröffnen. Freunde und Feinde werden sich daran beteiligen - ich
hoffe, nicht mehr in der bisherigen Form sentimentaler
Verteidigungen und wüster Beschimpfungen. Die Debatte soll sachlich,
groß, ernst und politisch geführt werden.
Die Society of Jews wird alle Kundgebungen der Staatsmänner,
Parlamente, Judengemeinden, Vereine, die in Wort und Schrift, in
Versammlungen, Zeitungen und Büchern hervorkommen, sammeln. So wird
die Society zum erstenmal erfahren und feststellen, ob die Juden
schon ins Gelobte Land wandern wollen und müssen. Die Society wird
von den Judengemeinden in aller Welt die Behelfe zu einer
umfassenden Statistik der Juden erhalten.
Die späteren Aufgaben, die gelehrte Erforschung des neuen Landes und
seiner natürlichen Hilfsmittel, der einheitliche Plan zur Wanderung
und Ansiedlung, die Vorarbeiten für die Gesetzgebung und Verwaltung
usw. sind aus dem Zweck vernünftig zu entwickeln.
Nach außen muß die Society versuchen, wie ich schon anfangs im
allgemeinen Teil erklärte, als staatsbildende Macht anerkannt zu
werden. Aus der freien Zustimmung vieler Juden kann sie den
Regierungen gegenüber die nötige Autorität schöpfen.
Nach innen, das heißt dem Judenvolke gegenüber, schafft die Society
die unentbehrlichen Einrichtungen der ersten Zeit - die Urzelle, um
es mit einem naturwissenschaftlichen Worte zu sagen, aus der sich
später die öffentlichen Einrichtungen des Judenstaates entwickeln
sollen.
Das erste Ziel ist, wie schon gesagt, die völkerrechtlich gesicherte
Souveränität auf einem für unsere gerechten Bedürfnisse
ausreichenden Landstrich.
Was hat nachher zu geschehen?
Die Landergreifung
Als die Völker in den historischen
Zeiten wanderten, ließen sie sich vom Weltzufall tragen, ziehen,
schleudern. Wie Heuschreckenschwärme gingen sie in ihrem bewußtlosen
Zuge irgendwo nieder. In den geschichtlichen Zeiten kannte man ja
die Erde nicht. Die neue Judenwanderung muß nach wissenschaftlichen
Grundsätzen erfolgen.
Noch vor einigen vierzig Jahren wurde die Goldgräberei auf eine
wunderlich einfältige Weise betrieben. Wie abenteuerlich ist es in
Kalifornien zugegangen! Da liefen auf ein Gerücht hin die Desperados
aus aller Welt zusammen, stahlen der Erde, raubten einander das Gold
ab - und verspielten es dann ebenso räubermäßig.
Heute! Man sehe sich heute die Goldgräberei in Transvaal an. Keine
romantischen Strolche mehr, sondern nüchterne Geologen und
Ingenieure leiten die Goldindustrie. Sinnreiche Maschinen lösen das
Gold aus dem erkannten Gestein. Dem Zufall ist wenig überlassen.
So muß das neue Judenland mit allen modernen Hilfsmitteln erforscht
und in Besitz genommen werden.
Sobald uns das Land gesichert ist, fährt das Landnahmeschiff
hinüber.
Auf dem Schiff befinden sich die Vertreter der Society, der Company
und der Ortsgruppen.
Diese Landnehmer haben drei Aufgaben: 1. die genaue
wissenschaftliche Erforschung aller natürlichen Eigenschaften des
Landes, 2. die Errichtung einer straff zentralisierten Verwaltung,
3. die Landverteilung. Diese Aufgaben greifen ineinander und sind
dem schon genügend bekannten Zweck entsprechend auszuführen.
Nur eins ist noch nicht klargemacht: nämlich wie die Landergreifung
nach Ortsgruppen vor sich gehen soll.
In Amerika okkupiert man bei Erschließung eines neuen Territoriums
auch noch auf eine recht naive Art. Die Landnehmer versammeln sich
an der Grenze und stürzen sich zur bestimmten Stunde gleichzeitig
und gewaltsam darauf los.
So wird es im neuen Judenlande nicht zu machen sein. Die Plätze der
Provinzen und Städte werden versteigert. Nicht etwa für Geld,
sondern für Leistungen. Es ist nach dem allgemeinen Plane
festgestellt worden, welche Straßen, Brücken, Wasserregulierungen
usw. nötig sind für den Verkehr. Das wird nach Provinzen
zusammengelegt. Innerhalb der Provinzen werden in ähnlicher Weise
die Stadtplätze versteigert. Die Ortsgruppen übernehmen die
Verpflichtung, das ordentlich auszuführen. Sie bestreiten die Kosten
aus autonomen Umlagen. Die Society wird ja in der Lage sein
vorauszuwissen, ob sich die Ortsgruppen keiner zu großen Opfer
vermessen. Die großen Gemeinwesen erhalten große Schauplätze für
ihre Tätigkeit. Größere Opfer werden durch gewisse Zuwendungen
belohnt: Universitäten, Fach-, Hochschulen, Versuchsanstalten usw.
und jene Staatsinstitute, die nicht in der Hauptstadt sein müssen,
werden über das Land zerstreut.
Für die richtige Ausführung des Übernommenen haftet das eigene
Interesse der Ersteher und im Notfall die Ortsumlage. Denn so wie
wir den Unterschied einzelner Individuen nicht aufheben können und
wollen, so bleibt auch der Unterschied zwischen den Ortsgruppen
bestehen. Alles gliedert sich auf natürliche Weise. Alle erworbenen
Rechte werden geschützt, jede neue Entwicklung erhält genügenden
Spielraum. Diese Dinge werden sämtlich unseren Leuten deutlich
bekannt sein.
So wie wir die andern nicht überrumpeln oder betrügen, so täuschen
wir uns auch selbst nicht.
Von vornherein wird alles auf eine planvolle Art festgestellt sein.
An der Ausarbeitung dieses Planes, den ich nur anzudeuten vermag,
werden sich unsere scharfsinnigsten Köpfe beteiligen. Alle
sozialwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der Zeit,
in der wir leben, und der immer höheren Zeit, in welche die
langwierige Ausführung des Planes fallen wird, sind für den Zweck zu
verwenden. Alle glücklichen Erfindungen, die schon da sind und die
noch kommen werden, sind zu benützen. So kann es eine in der
Geschichte beispiellose Form der Landnahme und Staatsgründung
werden, mit bisher nicht dagewesenen Chancen des Gelingens.
Verfassung
Eine der von der Society
einzusetzenden großen Kommissionen wird der Rat der Staatsjuristen
sein. Diese müssen eine möglichst gute moderne Verfassung zustande
bringen. Ich glaube, eine gute Verfassung soll von mäßiger
Elastizität sein. In einem anderen Werke habe ich
auseinandergesetzt, welche Staatsformen mir als die besten
erscheinen. Ich halte die demokratische Monarchie und die
aristokratische Republik für die feinsten Formen des Staates.
Staatsform und Regierungsprinzip müssen in einem ausgleichenden
Gegensatz zueinander stehen. Ich bin ein überzeugter Freund
monarchistischer Einrichtungen, weil sie eine beständige Politik
ermöglichen und das mit der Staatserhaltung verknüpfte Interesse
einer geschichtlich berühmten, zum Herrschen geborenen und erzogenen
Familie vorstellen. Unsere Geschichte ist jedoch so lange
unterbrochen gewesen, daß wir an die Einrichtung nicht mehr
anknüpfen können. Der bloße Versuch unterläge dem Fluche der
Lächerlichkeit.
Die Demokratie ohne das nützliche Gegengewicht eines Monarchen ist
maßlos in der Anerkennung und in der Verurteilung, führt zu
Parlamentsgeschwätz und zur häßlichen Kategorie der Berufspolitiker.
Auch sind die jetzigen Völker nicht geeignet für die unbeschränkte
Demokratie, und ich glaube, sie werden zukünftig immer weniger dazu
geeignet sein. Die reine Demokratie setzt nämlich sehr einfache
Sitten voraus, und unsere Sitten werden mit dem Verkehr und mit der
Kultur immer komplizierter. «Le ressort d'une démocratie est la
vertu», sagt der weise Montesquieu. Und wo findet man diese Tugend,
die politische meine ich? Ich glaube nicht an unsere politische
Tugend, weil wir nicht anders sind als die anderen modernen Menschen
und weil uns in der Freiheit zunächst der Kamm schwellen würde. Das
Referendum halte ich für unvollständig, denn in der Politik gibt es
keine einfachen Fragen, die man bloß mit Ja und Nein beantworten
kann. Auch sind die Massen noch ärger als die Parlamente jedem
Irrglauben unterworfen, jedem kräftigen Schreier zugeneigt. Vor
versammeltem Volke kann man weder äußere noch innere Politik machen.
Politik muß von oben herab gemacht werden. Im Judenstaate soll darum
doch niemand geknechtet werden, denn jeder Jude kann aufsteigen,
jeder wird aufsteigen wollen. So muß ein gewaltiger Zug nach oben in
unser Volk kommen. Jeder einzelne wird nur glauben, sich selbst zu
heben, und dabei wird die Gesamtheit gehoben. Das Aufsteigen ist in
sittliche, dem Staate nützliche, der Volksidee dienende Formen zu
binden.
Darum denke ich mir eine aristokratische Republik. Das entspricht
auch dem ehrgeizigen Sinne unseres Volkes, der jetzt zu alberner
Eitelkeit entartet ist. Manche Einrichtung Venedigs schwebt mir vor;
aber alles, woran Venedig zugrunde ging, ist zu vermeiden. Wir
werden aus den geschichtlichen Fehlern anderer lernen, wie aus
unseren eigenen. Denn wir sind ein modernes Volk und wollen das
modernste werden. Unser Volk, dem die Society das neue Land bringt,
wird auch die Verfassung, die ihm die Society gibt, dankbar
annehmen. Wo sich aber Widerstände zeigen, wird die Society sie
brechen. Sie kann sich im Werke durch beschränkte oder böswillige
Individuen nicht stören lassen.
Sprache
Vielleicht denkt jemand, es werde eine
Schwierigkeit sein, daß wir keine gemeinsame Sprache mehr haben. Wir
können doch nicht Hebräisch miteinander reden. Wer von uns weiß
genug Hebräisch, um in dieser Sprache ein Bahnbillett zu verlangen?
Das gibt es nicht. Dennoch ist die Sache sehr einfach. Jeder behält
seine Sprache, welche die liebe Heimat seiner Gedanken ist. Für die
Möglichkeit des Sprachenföderalismus ist die Schweiz ein endgültiges
Beispiel. Wir werden auch drüben bleiben, was wir jetzt sind, so wie
wir nie aufhören werden, unsere Vaterländer, aus denen wir verdrängt
wurden, mit Wehmut zu lieben.
Die verkümmerten und verdrückten Jargons, deren wir uns jetzt
bedienen, diese Ghettosprachen werden wir uns abgewöhnen. Es waren
die verstohlenen Sprachen von Gefangenen. Unsere Volkslehrer werden
dieser Sache ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Die dem allgemeinen
Verkehre am meisten nützende Sprache wird sich zwanglos als
Hauptsprache einsetzen. Unsere Volksgemeinschaft ist ja eine
eigentümliche, einzige. Wir erkennen uns eigentlich nur noch am
väterlichen Glauben als zusammengehörig.
Theokratie
Werden wir also am Ende eine
Theokratie haben? Nein! Der Glaube hält uns zusammen, die
Wissenschaft macht uns frei. Wir werden daher theokratische
Velleitäten unserer Geistlichen gar nicht aufkommen lassen. Wir
werden sie in ihren Tempeln festzuhalten wissen, wie wir unser
Berufsheer in den Kasernen festhalten werden. Heer und Klerus sollen
so hoch geehrt werden, wie es ihre schönen Funktionen erfordern und
verdienen. In den Staat, der sie auszeichnet, haben sie nichts
dreinzureden, denn sie werden äußere und innere Schwierigkeiten
heraufbeschwören.
Jeder ist in seinem Bekenntnis oder in seinem Unglauben so frei und
unbeschränkt wie in seiner Nationalität. Und fügt es sich, daß auch
Andersgläubige, Andersnationale unter uns wohnen, so werden wir
ihnen einen ehrenvollen Schutz und die Rechtsgleichheit gewähren.
Wir haben die Toleranz in Europa gelernt. Ich sage das nicht einmal
spöttisch. Den jetzigen Antisemitismus kann man nur an vereinzelten
Orten für die alte religiöse Intoleranz halten. Zumeist ist er bei
den Kulturvölkern eine Bewegung, mit der sie ein Gespenst ihrer
eigenen Vergangenheit abwehren möchten.
Gesetze
Wenn die Verwirklichung des Staatsgedankens näherrückt, wird die Society of Jews gesetzgeberische Vorarbeiten machen lassen durch ein Juristenkollegium. Für die Übergangszeit läßt sich der Grundsatz annehmen, daß jeder, der aus den verschiedenen Ländern einwandernden Juden, nach seinen bisherigen Landesgesetzen zu beurteilen sei. Bald ist die Rechtseinheit anzustreben. Es müssen moderne Gesetze sein, auch da überall das Beste zu verwenden. Es kann eine vorbildliche Kodifikation werden, durchdrungen von allen gerechten sozialen Forderungen der Gegenwart.
Das Heer
Der Judenstaat ist als ein neutraler gedacht. Er braucht nur ein Berufsheer - allerdings ein mit sämtlichen modernen Kriegsmitteln ausgerüstetes - zur Aufrechterhaltung der Ordnung nach außen wie nach innen.
Die Fahne
Wir haben keine Fahne. Wir brauchen
eine. Wenn man viele Menschen führen will, muß man ein Symbol über
ihre Häupter erheben.
Ich denke mir eine weiße Fahne mit sieben goldenen Sternen. Das
weiße Feld bedeutet das neue, reine Leben; die Sterne sind die
sieben goldenen Stunden unseres Arbeitstages. Denn im Zeichen der
Arbeit gehen die Juden in das neue Land.
Reziprozität und Auslieferungsverträge
Der neue Judenstaat muß anständig
gegründet werden. Wir denken ja an unsere künftige Ehre in der Welt.
Darum müssen alle Verpflichtungen in den bisherigen Wohnorten
rechtschaffen erfüllt werden. Billige Fahrt und alle
Ansiedlungsbegünstigungen werden Society of Jews und Jewish Company
nur denjenigen gewähren, die ein Amtszeugnis ihrer bisherigen
Behörde beibringen: «In guter Ordnung fortgezogen.» Alle
privatrechtlichen Forderungen, die noch aus den verlassenen Ländern
stammen, sind im Judenstaate leichter klagbar als irgendwo. Wir
werden gar nicht auf Reziprozität warten. Wir tun das nur um unserer
eigenen Ehre willen. So werden späterhin auch unsere Forderungen
willigere Gerichte finden, als dies jetzt da und dort der Fall sein
mag.
Von selbst versteht sich nach allem Bisherigen, daß wir auch die
jüdischen Verbrecher leichter ausliefern als jeder andere Staat, bis
zu dem Augenblicke, wo wir die Strafhoheit nach denselben
Grundsätzen ausüben werden wie alle übrigen zivilisierten Völker. Es
ist also eine Übergangszeit gedacht, während welcher wir unsere
Verbrecher erst nach abgebüßter Strafe aufnehmen. Haben sie aber
gebüßt, so werden sie ohne jede Restriktion aufgenommen, es soll
auch für die Verbrecher unter uns ein neues Leben beginnen.
So kann für viele Juden die Auswanderung zu einer glücklich
verlaufenden Krise werden. Die schlechten äußeren Bedingungen, unter
denen mancher Charakter verdorben ist, werden behoben, und Verlorene
können gerettet werden.
Ich möchte da kurz die Geschichte erzählen, die ich in einem Bericht
über die Goldminen von Witwatersrand gefunden habe. Ein Mann kam
eines Tages nach dem Rand, ließ sich nieder, versuchte einiges, nur
nicht das Goldgraben, gründete endlich eine Eisfabrik, die
prosperierte, und erwarb sich bald durch seine Anständigkeit die
allgemeine Achtung. Da wurde er nach Jahren plötzlich verhaftet. Er
hatte in Frankfurt als Bankier Betrügereien verübt, war entflohen
und hatte hier unter falschem Namen ein neues Leben begonnen. Als
man ihn aber gefangen fortführte, da erschienen die angesehensten
Leute auf dem Bahnhof, sagten ihm herzlich Lebewohl und auf
Wiedersehen! Denn er wird wiederkommen.
Was sagt diese Geschichte alles! Ein neues Leben vermag selbst
Verbrecher zu bessern. Und wir haben doch verhältnismäßig sehr wenig
Verbrecher. Man lese dazu eine interessante Statistik, «Die
Kriminalität der Juden in Deutschland», die von Dr. P. Nathan in
Berlin - im Auftrage des Komitees zur Abwehr antisemitischer
Angriffe - auf Grund amtlicher Ausweise zusammengestellt wurde.
Freilich geht aber diese zahlenerfüllte Schrift, wie manche andere
«Abwehr», von dem Irrtum aus, daß sich der Antisemitismus vernünftig
widerlegen lasse. Man haßt uns vermutlich ebensosehr wegen unserer
Vorzüge wie wegen unserer Fehler.
Vorteile der Judenwanderung
Ich denke mir, daß die Regierungen
diesem Entwurfe freiwillig oder unter dem Drucke ihrer Antisemiten
einige Aufmerksamkeit schenken werden, und vielleicht wird man sogar
da und dort von Anfang an dem Plane mit Sympathie entgegenkommen und
es der Society of Jews auch zeigen.
Denn durch die Judenwanderungen, die ich meine, können keine
wirtschaftlichen Krisen entstehen. Solche Krisen, die im Gefolge von
Judenhetzen überall kommen müßten, würden durch die Ausführung
dieses Entwurfes vielmehr verhindert werden. Eine große Periode der
Wohlfahrt würde in den jetzt antisemitischen Ländern beginnen. Es
wird ja, wie ich schon oft sagte, eine innere Wanderung der
christlichen Staatsbürger in die langsam und planvoll evakuierten
Positionen der Juden stattfinden. Wenn man uns nicht nur gewähren
läßt, sondem geradezu hilft, so wird die Bewegung überall
befruchtend wirken. Es ist auch eine bornierte Vorstellung, von der
man sich freimachen muß, daß durch den Abzug vieler Juden eine
Verarmung der Länder eintreten müßte. Anders stellt sich. ein Abzug
infolge von Hetzen dar, wobei allerdings, wie in der Verwirrung
eines Krieges, Güter zerstört werden. Und anders ist der friedliche,
freiwillige Abzug von Kolonisten, wobei alles unter Schonung
erworbener Rechte, in vollster Gesetzlichkeit, frei und offen, am
hellen Tage, unter den Augen der Behörden, unter der Kontrolle der
öffentlichen Meinung vollzogen werden kann. Die Auswanderung von
christlichen Proletariern nach anderen Weltteilen käme durch die
Judenbewegung zum Stillstande.
Die Staaten hätten ferner den Vorteil, daß ihr Exporthandel gewaltig
wüchse, denn da die ausgewanderten Juden drüben noch lange auf die
europäischen Erzeugnisse angewiesen wären, müßten sie sie notwendig
beziehen. Durch die Ortsgruppen würde ein gerechter Ausgleich
geschaffen, die gewohnten Bedürfnisse müßten sich noch lange an den
gewohnten Orten decken.
Einer der größten Vorteile wäre wohl die soziale Erleichterung. Die
soziale Unzufriedenheit könnte auf eine Zeit hinaus beschwichtigt
werden, die vielleicht zwanzig Jahre, vielleicht länger dauern
würde, jedenfalls aber die ganze Zeit der Judenwanderung hindurch
anhielte.
Die Gestaltung der sozialen Frage hängt nur von der Entwicklung der
technischen Mittel ab. Der Dampf hat die Menschen um die Maschinen
herum in den Fabriken versammelt, wo sie aneinandergedrückt sind und
durcheinander unglücklich werden. Die Produktion ist eine ungeheure,
wahllose, planlose, führt jeden Augenblick zu schweren Krisen, durch
die mit den Unternehmern auch die Arbeiter zugrunde gehen. Der Dampf
hat die Menschen aneinandergepreßt, die Anwendung der Elektrizität
wird sie vermutlich wieder auseinanderstreuen und vielleicht in
glücklichere Arbeitszustände bringen. Jedenfalls werden die
technischen Erfinder, die wahren Wohltäter der Menschheit, auch nach
Beginn der Judenwanderung weiterarbeiten und hoffentlich so
wunderbare Dinge finden wie bisher, nein, immer wunderbarere. Schon
scheint das Wort «unmöglich» aus der Sprache der Technik
verschwunden zu sein. Käme ein Mann des vorigen Jahrhunderts wieder,
er fände unser ganzes Leben voll unbegreiflicher Zaubereien. Wo wir
Modernen mit unseren Hilfsmitteln erscheinen, verwandeln wir die
Wüste in einen Garten. Zur Errichtung von Städten genügen uns jetzt
so viele Jahre, als man in früheren Epochen der Geschichte
Jahrhunderte brauchte - dafür zahllose Beispiele in Amerika. Die
Entfernungen sind als Hindernis überwunden. Die Schatzkammer des
modernen Geistes enthält schon unermeßliche Reichtümer; jeder Tag
vermehrt sie, hunderttausend Köpfe sinnen, suchen auf allen Punkten
der Erde, und was einer entdeckt hat, gehört im nächsten Augenblick
der ganzen Welt. Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen
Versuche benützen, vorbilden, und wie wir im Siebenstundentage ein
Experiment zum Wohl der ganzen Menschheit machen, so wollen wir in
allem Menschenfreundlichen vorangehen und als neues Land ein
Versuchsland und Musterland vorstellen.
Nach dem Abzug der Juden werden die von ihnen geschaffenen
Unternehmungen verbleiben, wo sie waren. Und nicht einmal der
jüdische Unternehmungsgeist wird dort fehlen, wo man ihn geme sieht.
Das mobile jüdische Kapital wird auch fernerhin seine Anlagen dort
suchen, wo seinen Besitzern die Verhältnisse wohlbekannt sind. Und
während jetzt das jüdische Geldkapital wegen der Verfolgung außer
Landes die entlegensten Unternehmungen aufsucht, wird es bei dieser
friedlichen Lösung zurückkehren und zum weiteren Aufschwung der
bisherigen Wohnorte der Juden beitragen.
Wie vieles ist noch unerörtert
geblieben, wie viele Mängel, schädliche Flüchtigkeiten und nutzlose
Wiederholungen weist noch immer diese Schrift auf, die ich mir lange
wohl bedacht und oft überarbeitet habe.
Der redliche Leser, der auch verständig genug ist, im Innern der
Worte zu lesen, wird sich von den Mängeln nicht abstoßen lassen. Er
wird sich eher angeeifert fühlen, mit seinem Scharfsinn und seiner
Kraft teilzunehmen an einem Werk, das keinem einzelnen gehört, und
es zu verbessem.
Habe ich nicht selbstverständliche Dinge erklärt und wichtige
Bedenken übersehen?
Einige Einwände habe ich zu widerlegen versucht; ich weiß, es gibt
noch andere, viele, es gibt hohe und niedere.
Zu den hohen Einwendungen gehört es, daß in der Welt die Notlage der
Juden nicht die einzige ist. - Ich meine aber, daß wir immerhin
anfangen sollen, ein wenig Elend hinwegzuräumen; wäre es auch
vorläufig nur unser eigenes.
Ferner kann gesagt werden, daß wir nicht neue Untersehiede zwischen
die Menschen bringen sollten; keine neuen Grenzen errichten, lieber
die alten verschwinden machen. - Ich meine, das sind liebenswerte
Schwärmer, die so denken; aber der Staub ihrer Knochen wird schon
spurlos zerblasen sein, wenn die Vaterlandsidee noch immer blühen
wird. Die allgemeine Verbrüderung ist nicht einmal ein schöner
Traum. Der Feind ist nötig für die höchsten Anstrengungen der
Persönlichkeit.
Aber wie? Die Juden würden wohl in ihrem eigenen Staat keinen Feind
mehr haben, und da sie im Wohlergehen schwach werden und schwinden,
so würde das Judenvolk dann erst recht zugrunde gehen? - Ich meine,
die Juden werden immer genug Feinde haben, wie jede andere Nation.
Wenn sie aber auf ihrem eigenen Boden sitzen, können sie nie mehr in
alle Welt zerstreut werden. Wiederholt kann die Diaspora nicht
werden, solange die ganze Kultur der Welt nicht zusammenbricht. Und
davor kann sich nur ein Einfältiger fürchten. Die jetzige Kultur hat
Machtmittel genug, um sich zu verteidigen.
Die niederen Einwendungen sind zahllos, wie es ja auch mehr niedere
Menschen gibt als hohe. Einige beschränkte Vorstellungen versuchte
ich niederzuringen. Wer sich hinter die weiße Fahne mit den sieben
Sternen stellen will, muß mithelfen in diesem Aufklärungs-Feldzug.
Vielleicht wird der Kampf zuerst gegen manche bösen, engherzigen,
beschränkten Juden geführt werden müssen.
Wird man nicht sagen, daß ich den Antisemiten Waffen liefere? Warum?
Weil ich das Wahre zugebe? Weil ich nicht behaupte, daß wir lauter
vortreffliche Menschen unter uns haben?
Wird man nicht sagen, daß ich einen Weg zeige, auf dem man uns
schaden könnte? Das bestreite ich auf das entschiedenste. Was ich
vorschlage, kann nur ausgeführt werden mit freier Zustimmung der
Judenmehrheit. Es kann gegen einzelne, selbst gegen die Gruppen der
jetzt mächtigsten Juden gemacht werden - aber nie und nimmermehr vom
Staat aus gegen alle Juden. Man kann die gesetzliche
Gleichberechtigung der Juden, wo sie einmal besteht, nicht mehr
aufheben; denn schon die einleitenden Versuche würden sofort alle
Juden, arm und reich, den Umsturzparteien zujagen. Schon der Beginn
offizieller Ungerechtigkeiten gegen die Juden hat überall
wirtschaftliche Krisen im Gefolge. Man kann also eigentlich wenig
Wirksames gegen uns tun, wenn man sich nicht selbst weh tun will.
Dabei wächst und wächst der Haß. Die Reichen spüren davon nicht
viel. Aber unsere Armen! Man frage unsere Armen, die seit der
Erneuerung des Antisemitismus furchtbarer proletarisiert wurden als
je vorher.
Werden einige Wohlhabende meinen, der Druck sei noch nicht groß
genug für die Auswanderung und selbst bei gewaltsamen
Judenaustreibungen zeige sich, wie ungern unsere Leute gingen? Ja,
weil sie nicht wissen, wohin! Weil sie nur aus einem Elend ins
andere kommen. Aber wir zeigen ihnen den Weg in das Gelobte Land.
Und mit der schrecklichen Macht der Gewohnheit muß die herrliche
Macht der Begeisterung ringen.
Die Verfolgungen sind nicht mehr so bösartig wie im Mittelalter? Ja,
aber unsere Empfindlichkeit ist gewachsen, so daß wir keine
Verminderung der Leiden spüren. Die lange Verfolgung hat unsere
Nerven überreizt.
Und wird man noch sagen: die Unternehmung sei hoffnungslos, selbst
wenn wir das Land und die Souveränität bekommen - weil nur die Armen
mitgehen werden? Gerade die brauchen wir zuerst! Nur die Desperados
taugen zum Erobern.
Wird jemand sagen: Ja, wenn das möglich wäre, hätte man es schon
gemacht?
Früher war es nicht möglich. Jetzt ist es möglich. Noch vor hundert,
vor fünfzig Jahren wäre es eine Schwärmerei gewesen. Heute ist das
alles wirklich. Die Reichen, die einen genußvollen Überblick über
sämtliche technischen Errungenschaften haben, wissen sehr gut, was
mit Geld alles gemacht werden kann. Und so wird es zugehen: Gerade
die Armen und Einfachen, die gar nicht ahnen, welche Gewalt über die
Naturkräfte der Mensch schon besitzt, werden die neue Botschaft am
stärksten glauben. Denn sie haben die Hoffnung auf das Gelobte Land
nicht verloren.
Da ist es, Juden! Kein Märchen, kein Betrug! Jeder kann sich davon
überzeugen, denn jeder trägt ein Stück vom Gelobten Land hinüber;
der in seinem Kopf, und der in seinen Armen, und jener in seinem
erworbenen Gut.
Nun könnte es scheinen, als wäre das eine langwierige Sache. Auch im
günstigsten Falle würde der Beginn der Staatsgründung noch viele
Jahre auf sich warten lassen. Inzwischen werden die Juden auf
tausend Punkten gehänselt, gekränkt, gescholten, geprügelt,
geplündert und erschlagen. Nein, wenn wir auch nur beginnen, den
Plan auszuführen, kommt der Antisemitismus überall und sofort zum
Stillstand. Denn er ist der Friedensschluß. Wenn die Jewish Company
gebildet ist, wird diese Nachricht in einem Tage nach den fernsten
Punkten der Erde durch den Blitz unserer Drähte hinausgetragen
worden sein.
Und augenblicklich beginnt auch die Erleichterung. Aus den
Mittelständen fließen unsere überproduzierten mittleren
Intelligenzen, fließen ab in unsere ersten Organisationen, bilden
unsere ersten Techniker, Offiziere, Professoren, Beamten, Juristen,
Ärzte. Und so geht die Sache weiter, eilig und doch ohne
Erschütterung.
Man wird in den Tempeln beten für das Gelingen des Werkes. Aber in
den Kirchen auch! Es ist die Lösung eines alten Druckes, unter dem
alle litten.
Aber zunächst muß es licht werden in den Köpfen. Der Gedanke muß
hinausfliegen bis in die letzten jammervollen Nester, wo unsere
Leute wohnen. Sie werden aufwachen aus ihrem dumpfen Brüten. Denn in
unser aller Leben kommt ein neuer Inhalt. Jeder braucht nur an sich
selbst zu denken, und der Zug wird schon ein gewaltiger.
Und welcher Ruhm erwartet die selbstlosen Kämpfer für die Sache!
Darum glaube ich, daß ein Geschlecht wunderbarer Juden aus der Erde
wachsen wird. Die Makkabäer werden wieder aufstehen.
Noch einmal sei das Wort des Anfangs wiederholt: Die Juden, die
wollen, werden ihren Staat haben.
Wir sollen endlich als freie Männer auf unserer eigenen Scholle
leben und in unserer eigenen Heimat ruhig sterben.
Die Welt wird durch unsere Freiheit befreit, durch unseren Reichtum
bereichert und vergrößert durch unsere Größe.
Und was wir dort nur für unser eigenes Gedeihen versuchen, wirkt
machtvoll und beglückend hinaus zum Wohle aller Menschen.